A bärige G'schicht!
Mit Stefan Grafl, dem Neo-Geschäftsführer der Bergbahnen Westendorf, unterwegs auf der längsten Skirunde der Welt
Das hier ist nichts für Warmduscher! Es ist auch nicht bequem. Und entspannt den atemberaubenden Blick auf über 70 Dreitausender-Gipfel genießen, ist auch nicht drin. Und auch kein Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut. Dafür aber lässt es einen guten Skifahrer am Ende eine ungeheure Zufriedenheit verspüren. Ein Gefühl wie nach der erfolgreichen Teilnahme am Ironman-Triathlon auf Hawaii oder am „Dolomitenmann“–Mehrkampf in Lienz, nach dem man zu den „Härtesten unter der Sonne“ gehört. Stefan Grafl aus dem Windautal, der heuer dem Hansjörg Kogler als Geschäftsführer der Bergbahnen Westendorf folgte, nimmt uns mit auf die große Challenge: die längste Skirunde der Welt an nur einem Tag absolvieren, und er lässt dabei auch so manchen Gedanken freien Lauf.
Von Going nach Mittersill und zurück
„Das is natürlich schon eine Herausforderung, sich der KitzSkiWelt Tour von Going bis nach Mittersill und wieder zurück zu stellen“, sagt Stefan, der das Skifahren von klein auf liebt und entsprechend beherrscht. „Und då mågst scho g’scheit Gas gebn.“ Wobei hier gleich vorweggenommen sei, dass weniger gute oder Genuss-Skifahrer die folgende Route je nach Können und Belieben freilich auch über mehrere Tage hinweg fahren können. Grafl besteigt um 8 Uhr die Astbergbahn und hat folgenden Plan: Auf Skiern die SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental von Going bis nach Brixen im Thale bewältigen, dann auch das Skigebiet KitzSki von Kirchberg bis nach Mittersill, und von dort, nach dem einzigen, kurzen Stopp auf der Resterhöhe, wieder retour!
Es ist die längste Variante über 88 Kilometer. Vom Astberg gehen die ersten Abfahrten mit vollem Elan über die Sonnenlift- und weitere noch recht leere Pisten der SkiWelten Ellmau, Going und Scheffau. Da, in der Kulisse der Erfolgsfilmreihe „Der Bergdoktor“ blickt er auf das beeindruckende Bergmassiv des „Wilden Kaisers.“ Und schon geht die Sause weiter zum Gebiet der „Hohen Salve“ mit Österreichs höchstgelegener Wallfahrtskirche in den SkiWelten Söll, Itter, Hopfgarten und Brixen. Von dort oben sieht Stefan auch nach Kirchbichl, wo er mit seiner Familie lebt.
Julia und die Wirkungsstätte als Touristiker
Seine Julia hat Stefan in Westendorf kennengelernt, und nachdem er die Französisch-Studentin in Paris, der Stadt die Liebe, besuchte, festigt sich die Liaison. Als sie 10 Jahre später heiraten, behält Julia ihren Familiennamen „Osl“. „I glab, mein Name war ihr zu lång“, lacht der „Grafl“. Und weil Frau Osl in Kirchbichl daheim ist, ziehen sie dort in ihr Elternhaus, in dem sie mittlerweile auch mit ihrem zweieinhalb Jahre alten Sohn Valentin leben. Und wer hat dort die Hosen an? „Ja, i! Aber mei Frau sagt, welche!“, schmunzelt der Familienvater. Auf seiner rasanten Tour de Ski ist Stefan nun auch in der „Ferienregion Hohe Salve“ unterwegs, in der er nach 12 Jahren Arbeit in der Gastronomie als Leiter des Tourismusverbandes Hopfgarten agierte – mit dem Seitental Kelchsau ein großes Gebiet.
Westendorf und die Stoaberghütt’ im Windautal
Nachdem Stefan über die Brixner Abfahrten ins Tal gesaust ist, geht’s in den gegenüberliegenden Bergen mit der 8-er-SkiWelt-Bahn ins Skigebiet Westendorf. Auf der Windau-Bergabfahrt blitzen Erinnerungen an die Kindheit auf. Im Naturjuwel „Windautal“ liegt das Gasthaus Steinberg, die „Stoaberghütt’“, sein Elternhaus. Hier war auch Urgroßvater Josef dahoam, 1946 einer der Gründer der Bergbahn Westendorf. Der erste Sessellift war der „Größte Skilift Österreichs“ und wurde unter schwierigen Bedingungen errichtet. „Des wår damals ein modernes Crowd-Funding“, weiß Stefan. „Då håst 1.000 Schilling einzahlen miassn, in einer Zeit, in der koana wås g’håbt håt.“ Und da war auch der Grafl Josef „aus der hintersten Windau“ dabei – ein beeindruckendes Zeichen hoffnungsfrohen Pioniergeistes.
Stefans Vater Josef war Skilehrer, als er Mama Ina, eine holländische Touristin kennenlernte, beim Skifahren freilich – „Klischee erfüllt“, lacht Stefan. Ihm und seinen Brüdern Michael, der heutige Wirt, und Christian ist die Gastronomie in die Wiege gelegt. Und dass sich im Gasthäusl und den Gästezimmern bis zu 70 Leute tummelten, auch Skischullager-Klassen, das war für die Knaben ganz normal. „Då wirst überall zum Mithelfen eing’spånnt.“ Im Paradies für Skitourenfans betrieb der Vater auch einen Schlepplift – „Und då håt di der Handschuachreißer auffig’lupft“, denn die Seilspannung des Bügels war so stark, dass sie einem beim Ausstieg oft die Handschuhe vom Leib riss.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Nach schnellen Schwüngen über die Ki-West-Abfahrt fährt Stefan mit der Pengelstein-Bahn oberhalb von Kirchberg in die als weltbestes Skigebiet ausgezeichnete KitzSki Region. Am Kitzbüheler Hahnenkamm, auf der Streif-Familienabfahrt und spätestens, wenn Grafl im Starthaus der berühmt-berüchtigten Piste die Skispitzen über die steil abfallende Kante schiebt, ergeht es ihm wie vielen der besten Abfahrtsläufer der Welt: Riskier ich wirklich, mich hier hinunterzustürzen? Stefan überlegt, wann er im Leben sonst noch richtig Mut bewiesen hat. „Des wår, wia i des erste Mal von dahoam weggången bin“, vom entlegenen Tal in die große Stadt Innsbruck, wo er die Tourismusschule „Villa Blanka“ besuchte. Mit völlig neuen, spannenden Eindrücken einerseits und Heimweh nach der Großfamilie andererseits will er eigentlich Koch werden, inspiriert von der Großmutter und dem Bruder. „Åber i håb nie g’schåfft, dass mi wer als Koch ustellt“, auch nicht als er sich für sieben Jahre in die ferne Schweiz traut, ins unbekannte Ausland. „Wenigstens is mei Frau scho gånz glücklich, wenn ich koch“, lächelt der Herr Grafl.
Ein Weißbier und die Frage des Hansjörg Kogler
Nach drei weiteren Abfahrten hoch über Kitzbühel kann Stefan während der Fahrt mit der 3S-Bahn etwas Kraft für die nächsten Schwünge oberhalb von Jochberg sammeln, und mit der Pass-Thurn-Direktabfahrt lässt er Tirol hinter sich und wedelt nun im Pinzgau im Bundesland Salzburg weiter. Die Resterhöhe ist sein Umkehrpunkt, wo er sich nach Apfel und Müsliriegel „to go“ nun erstmals hinsetzt und sich ein Weißbier gönnt, das auch Elektrolyte und Kraft spendet. Für kulinarische Schmankerl in den vielen urigen, kleinen Hütten, oft in Bauernhand, samt einem „Ratscher“, gibt es andere Skitage.
Hoch über Mittersill denkt Stefan auch an den letzten Wendepunkt in seinem Leben 2021: „Als mich der Hansjörg Kogler g’frågt håt, ob ich mir zutraue, die Bergbahnen Westendorf zu leiten.“ So ein Job ist freilich eine Herausforderung mit großer Verantwortung, auch für die vielen MitarbeiterInnen. „Då håb i scho a boisl überlegt, a in der Familie, weil da brauchst einen Rückhalt.“ Den hat Stefan, und so lässt er sich die Chance nicht entgehen. Die SkiWelt ist ihm ja längst bekannt, und nach seinem Job in Hopfgarten arbeitete er auch im „SkiWelt-Marketing“-Team von Anita Baumgartner in Söll. Anita war es auch, die bereits vor Jahren die Idee für „Die längste Skirunde der Welt“ hatte und dafür zwei der besten Skigebiete der Welt zusammenzuschließen. Sie, Hansjörg Kogler und Walter Eisenmann führten sie erste Gespräche mit den Kitzbühelern, und nachdem gut Ding Weile brauchte, wurde der Weg zur Realisierung schließlich gefunden.
Nach einem Hearing vor dem Aufsichtsrat, wird Grafl in Westendorf engagiert, und der Weg für seine wohl eigentliche Lebensaufgabe ist geebnet. „I bin då einakemmen, håb mi hig’huckt, und bin u’kemma.“ Denn eines macht das Arbeiten hier aus: der Zusammenhalt, in der besonders viele gemeinsam an einem Strang ziehen. „So a Zusåmmenhoit und so a kollegiales Verhältnis wia’s bei uns in der SkiWelt gibt, für des bewundern’s uns alle“, sagt Hansjörg Kogler, der mit seinem Kollegen Klaus Exenberger die längste Runde auch schon mal gefahren ist. Trotz aller Herausforderungen, die die Pandemie und die Energiekrise mit sich bringen, kann Stefan Grafl gerade in der als „ökologischstes Skigebiet“ ausgezeichneten SkiWelt auf fruchtbarem Boden weiterarbeiten, den Hansjörg Kogler etwa mit seinem Projekt „Kreuzjöchlsee“ gelegt hat – der erste Speichersee, welcher naturnah und ressourcenschonend gebaut wurde. Grafl profitiert nun auch von seinen eigenen Erfahrungen in der Landwirtschaft des elterlichen Betriebes und von seiner zwischenzeitlichen Arbeit beim „Maschinenring“. Und so blickt er optimistisch voraus.
Ein unglaubliches Gefühl
Hoit aus! Jetzt sind die Gedanken derart geflogen, dass der Zeitplan in Gefahr ist. Aber wie so oft sind die unglaubliche Natur, die besonderen Kraftplätze und das schöne Licht seiner Heimat für Stefan auch immer „ein Energiespeicher, den du u’zapfen kannst“. Dennoch spürt er am Rückweg auch zunehmend die Strapazen des Tages. „Då musst dånn schon immer mehr drauf schauen, dass du den Schwung richtig åndasetzt.“ Nur kein Fehler jetzt mehr, das hat er schon früh gelernt, als er als kleiner Bub mal nach dem Skiclub-Training mit einem Freund bei der Heimfahrt durch einen Waldweg war: „Då hat’s mi g’schmissen und i håb einen ausgeliehenen Skistecken verloren.“ Den wollte er unbedingt wieder heimbringen, doch dieser war nicht zu finden, und die verzweifelte Suche dauerte und dauerte. Bis der Lift nicht mehr fuhr. „Und wir då hint in, zwei so kloane Buam, und simma von Windauberg bis Talkaser aussi trettelt, dunkel is wordn, und wir greascht wie die Schlosshund.“ Und als sie endlich wieder daheim waren, „dann håm’s ins z’sammg’schissen a no.“ Es war eine wertvolle Lektion fürs Leben: „Wenn was passiert, musst oafach weitermachen.“ In der einsetzenden Dämmerung schafft er diesmal noch die letzten Liftanschlüsse und setzt die letzten Schwünge zurück nach Going.
Geschafft! 88 Kilometer an nur einem Tag! Nachdem Stefan gern aus den Skischuhen und in die Dusche steigt, sind die Beine zwar müde, aber das Gefühl, die längste Skirunde der Welt an einem Tag bewältigt zu haben, ist unbezahlbar. „Då håst wås tu! Und des is a bärige G’schicht!“
Erschienen in "Bei ins dahoam" im November 2022
Wolfhart Fritsche
Antworten
Ich freue mich sehr über die schönen Berichte aus meiner Alten Heimat St..Johann/Tirol zu lesen … Wohne 50 Jahre im Ruhrgebiet ( Witten) Bei Dortmund… es erinnert mich immer wieder an meine Kinderzeit mit dem Schilauf mit den vielen Wanderungen mit den Eltern beim Militär die Pisten zu treten für das Hahnenkamm Schirennen.. das waren noch Zeiten … ein Tiroler aus dem Ruhrgebiet Wolfhart Fritsche
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