Alfons Walde
Guta Eva Berger und Michael Walde-Berger hauchen dem Mythos des in Oberndorf geborenen Malers Leben ein.
Im „Haus Walde“ in Kitzbühel hat Guta Eva Berger kürzlich ihren 84. Geburtstag gefeiert ... sie ist das einzige Kind des berühmten Malers Alfons Walde, der 1891 in Oberndorf geboren wurde und der in Kitzbühel lebte. Seinen bunten Farben und Bildern, seiner Architektur und seinem Ortssymbol begegnet man in der sogenannten Gams-Stadt auf Schritt und Tritt. „Früher hat mich der Papa oft mitgenommen“, erzählt Guta. Abends, bei schönstem Licht, ließ er sich von ihrer Mutter chauffieren. So konnte er Kitzbühels Landschaft, die Grundlage für seine Kunst, besser betrachten. „Halt! Bleib stehen!“, rief er. Dann fotografierte Alfons die Vorlage, nach der er im Atelier malte. Walde gehörte schon zu den begeisterten Kitzbüheler Telemark-Skipionieren um Franz Reisch. Mit seinen fast fotografisch lebhaften Skiläufern und seinen brillanten „Walde-Schnee“-Bildern mit tiefblauen Schatten konnte er die Faszination des Skifahrens darstellen wie kein anderer. „Die Leute“, sagte Walde, „die meine Bilder kaufen, finden in ihnen etwas von dem, wonach sie sich in ihren rauchigen Städten sehnen: unsere Sonne, die Tiroler Luft, den Feiertag in den Bergen“.
Guta, ein motivierender Neubeginn für Walde
Als Guta zur Welt kommt, liebt Alfons sie heiß. Die Geburt ist gar ein motivierender Neubeginn für ihn, der aber auch verstärkte existenzielle Anforderungen an seine Malerei mit sich bringt. Am Hahnenkamm, wo Alfons sein Berghaus gebaut hat, malte er zum Nikolaus gern Krampus-Larven auf Karton. Und wenn Klein-Guta nicht brav war, schlich der Hausmeister mit der Larve draußen umher. „Jetzt kommt der Ganggerl!“, warnte der Künstler sie. Solch spannende Aktionen fand Guta an ihrem liebevollen Papa durchaus toll.
Waren des Vaters Partys am Berg, wo er, wie er es nannte „schaffen und mit originellen Weibern hausen“ konnte, nicht ganz so harmlos, wurde Klein-Guta kurzerhand per Hahnenkammgondel zu Tal befördert. „Mein Großvater liebte es, rauschende, freizügige Feste zu feiern“, erzählt Gutas Sohn Michael Walde-Berger, Schauspieler, Walde-Nachlassverwalter und euphorischer Tenniscrack. „Er muss eine Faszination für die Frauen gehabt haben“. Bereits in Waldes Studienzeit entstehen viele erotische, damals oft verpönte aber sehr elegante Akte des Frauenliebhabers, die heute zu den besten seiner Zeit zählen. Walde liebt auch privat leidenschaftlich, doch das Lebensmodell der freien Beziehung scheitert bereits mit seiner ersten Ehefrau Hilde Lackner. „Jedem die totale Freiheit“, lautete sein für Künstler nicht unübliches Credo. Und auch Waldes zweite Gattin Lilly Walter war leichtbekleidetes Lieblingsmotiv des Malers und Fotografen. Allerdings, in dieser Feierlaune lernt Lilly ihren späteren Mann kennen. Und als sie Walde für ihn verlässt, wird aus der freien eine zerstörerische Liebe, und Alfons ist äußerst enttäuscht. „Sein Lebenswandel war für einen Partner sehr schwierig zu verkraften“, sagt Michael, „denn als Künstler bist du sehr stark bei dir und deiner Arbeit. Und das ist ein wichtiger Prozess, um kreieren zu können“.
Am Ende des bitteren Rosenkriegs wird Walde das Sorgerecht für Guta zugesprochen. So wächst die 8jährige bei den geliebten Großeltern und bei Tante Berta auf, Alfons Schwester. Die Trennung von seiner größten Liebe Lilly wirft Walde auch künstlerisch zurück. Michael weiß: „Waldes privates Schicksal, wie auch das von Kitzbühel spiegelt sich in seinem Werk“. Die Erlebnisse an der Front des 1. Weltkriegs finden in seiner Malerei schwermütigen Ausdruck. Erst in den 20igern kommt er mit dem boomenden Skitourismus, der auch die reiche Gesellschaft lockt, wieder zu farbenfreudigen, expressionistischen Landschaftsbildern und zum neuen, positiven Lebensgeist. Walde arbeitet und verkauft nun überaus erfolgreich, und hat damit wenig Zeit für sein Kind. Spätestens als seine dritte Frau Ida Tropschuh kommt, und die mehr sprachen- als kunstinteressierte Guta mit dem Arzt Dr. Karl Berger ausgerechnet einen „Weaner“ heiratet, wird der Vater für die Tochter eher unnahbar.
Kitzbühel zuliebe pfeift Walde auf Wien
Die Wiener, auch die intellektuelle Kunstszene, konnten Alfons schon zu Studienzeiten nicht in der Hauptstadt halten. Da studiert er auf Wunsch des Vaters erst Architektur, was später auf wunderbare Arbeiten, wie die von ihm geplante Hahnenkamm-Tal- und Bergstation Einfluss haben wird. Mehr noch interessiert Alfons die Malerei, und er wird von seinen Freunden Gustav Klimt und Egon Schiele beeinflusst. In Wien kommt nach den Töchtern Claudia und Verena 1963 Gutas Sohn Michael zur Welt, fünf Jahre nach Alfons Tod. „Früher wollte ich nur leben, lieben, und Menschen kennen und verstehen lernen“, sagt Michael. Damit waren die Gene des Großvaters erkennbar, denn auch für Waldes Malerei war das Studium des Menschen und der Liebe maßgeblich. Seine Schauspielkunst studiert Michael in New York. Zurück in der Heimat spielt er etwa am Stadttheater Innsbruck den Satan in Felix Mitterers „Krach im Hause Gott“, wirkt in etlichen TV-Produktionen mit, wie „Stockinger“, „SOKO Kitz“ oder „Tatort“. Im Jänner wird er auch in der neuen ORF-TV-Dokumentation „Walde’s Lust. Der Maler von Kitzbühel“ zu sehen sein. Wenn Guta ihren Sohn anblickt, sieht sie ihren Vater vor sich.
Guta zeigt uns Gesprächsnotizen Waldes mit dessen taubstummen Freund, Bildhauer und Lyriker Gustinus Ambrosi. Michael kennt sie nicht, und dass sie über die Jahre durcheinandergeraten sind, ärgert ihn. Zanken gehört bei den Waldes und Bergers ein bisschen dazu. Die Notizen Am-
brosis entschlüsseln Waldes Geschäftstüchtigkeit: „Besser du malst 4 Bilder um je 10.000,- Schilling im Jahr als 100 Pappendeckenbilder um je 400,-“. 1927 schreibt Walde: „Ich muss noch viel schwitzen, bis ich anerkannt werde. Das Leben wird mir immer komplizierter und gefährlicher“. Walde beklagt sich auch über schlechte Kritiken, übertaucht sie jedoch mit seinen städtischen und bäuerlichen Kleinoden, wie dem prämierten, viel kopierten „Auracher Kirchl“, und mit Naturbildern, die auch den Menschen in seinem Lebens- und Arbeitsraum zeigen. Erst grosse Auslandserfolge, etwa in Rom und Deutschland, bringen ihm schließlich auch mehr Ansehen in der Heimat.
„Er war stolz, Künstler zu sein“, sagt Guta, „Aber er war auch ein Mann des Volkes, hatte keine Standesdünkel, war extrem gutherzig und hat sich immer für die Armen eingesetzt“. Die Ehrlichkeit nannte er das Wichtigste im Leben. „Er war aber auch ein Patriarch mit aufbrausendem Temperament. Und wenn er bei politischen Debatten auf den Tisch gehaut hat, ist er ganz rot im Kopf geworden!“ Der Nationalsozialismus drängte Walde als Gefangener seiner Zeit einst auch in die Isolation auf das Berghaus und für einige Wochen gar in Haft.
Danach verliert Walde viele Freunde, ist einsam, und seine Einnahmen brechen ein. Und was machte sein Herz krank? Zigarren und Alkohol? Wie so oft die zwischenmenschlichen Enttäuschungen? Oder doch fehlende Anerkennung als Künstler? Denn die Renaissance seiner Bilder durfte er nicht mehr miterleben. Seine Oberndorfer Malschülerin Berta Thaler weiß: „Früher hingen die Bauern kleine Walde-Karten ins Klo. Und Walde schrieb dem Oskar Kokoschka: „Dich kennt alle Welt. Mi a jede Häuslfrau“. In Kitzbühel war er meist überaus geschätzt, doch wenn er etwa im Krieg den Metzgern seine Kunst gegen Essbares anbot, hörte er oft: „Nein, Alfons! Deine Bilder kannst dir behalten!“ Und die Bauern schimpften, weil er sie so scheußlich klobig darstellte. Heute wird sich jedenfalls so mancher in den Hintern beißen, weil ein echter Walde nun Höchstpreise von mehr als 600.000,- Euro erzielt.
Walde entschlüsselte das Wesen der Kitzbüheler
Toni Sailer sagte: „Walde hat das Urtypische am Menschen festgehalten“. Seine Werke entschlüsseln auch das offene, herzensfrische und kontaktfreudige Wesen der Kitzbüheler Einheimischen. Und Alfons selbst? Er war geradlinig. Sah er die grauen Hauswände Kitzbühels, schimpfte er: „Da haben sie wieder den Straßendreck bis zum Dach aufigezogen!“ Dank sei Walde, sieht das Innenstadl heute anders aus. Und sah er eine moderne Abwandlung der von ihm kreierten Kitz-Gams, meinte er: „Scho wieder so a soachate (urinierende) Gams“. Am Ende ist Walde verbittert. Als sein geliebter Dackel stirbt, schreibt er: „Dieses einmalige Hunderl war elf Jahre mein bester Freund und oft mein einziger Trost, wenn mich die Schlechtigkeit der Menschen kränkte oder mich bedrohte“. Schwer krank steigt Alfons 1958 nochmal die Treppen im Walde-Haus herunter, als der Nikolaus und Krampus zu den Kindern kommen. Fünf Tage später ist er tot. Walde hat auch Kitzbühel viel hinterlassen. Sein Geist lebt vielerorts weiter. Und zum 85. Geburtstag wird Guta vielleicht auch eine Schellack ihres Vaters auflegen, zu der er oft sang: „Halt dich fest, Marie! Wenn die Welt auch untergeht, so schön war es noch nie!“
TEXT: EDUARD EHRLICH
Fotos und Bilder von Alfons Walde mit freundlicher Genehmigung der Familie Walde-Berger.
ERSCHEINUNGSDATUM: NOVEMBER 2014