Dahoam im Paradies

Eine Kutschenfahrt zum Spertentaler „Brigglhof“, wo Sebastian und Tamara zeigen, wie begeisternd das Jungbauernleben sein kann.

Das Ross schnaubt und bläht die Nüstern, unter den Kufen knirscht der Schnee. Der Kutscher hält gechillt die Zügel, und seine verpackten Fahrgäste sind beeindruckt von der magischen Landschaft des südlich von Kirchberg gelegenen Spertentals. Das Ziel der Schlittenfahrt liegt oberhalb der übers Bächlein führenden Brücke, nach dem der „Brigglhof“ benannt ist. Die Besucher werden von einem wärmenden, offenen Feuer empfangen und von Seniorbäuerin Sonja, ihrem Enkerl Tobias und dessen Mama Tamara. Die lädt freudig zur Führung am Bauernhof. Ihr Mann Sebastian, der Neubauer, arbeitet noch als Elektriker im Dorf draußen, denn von der Landwirtschaft allein kann die Jungfamilie hier nicht leben. Noch nicht.

Sebastian, der neue Bauer

Als Sebastian am „Brigglhof“ aufwächst, wird hier bereits ein Appartement vermietet. „Die Gäst’ waren bei ins in der Kuchl inna“, erzählt der sympathische Aschauer im Beisein seiner ebenso feschen und energievollen Tamara. Die Untermieter aus Deutschland, der Schweiz und Holland waren erst spannend für ihn, bei nur einem Eingang war es später aber auch schon mal weniger ideal: „Wennst die Leut jeden Tåg triffst, a wennst aus der Dusch aussakimmst ...“ Aber ein Zuverdienst war halt wichtig. Heute wohnt er mit seiner Familie im Zuhäusl, oberhalb der Großeltern. Seine Oma Anna war früher immer für ihn und die Schwester da, wie auch für die Kinder der benachbarten Tante. In der Volksschule Aschau wurden anfangs nur etwa 20 Kinder aus vier Jahrgängen in einem Raum unterrichtet. Danach, zur Heuarbeit, „då sind wir oiwei auf dem Feld g’wen“, mit Spielzeug unterm Sonnenschirm, während die andern rundum gemäht haben. Nach der Hauptschule in Kirchberg macht Sebastian in der Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt „Weitau“ in St. Johann den „Facharbeiter“. Und auch beim privaten Ausgehen erweitert sich der Radius, bis hin in die „Moonlight Bar“ in Söll, wo die um drei Jahre jüngere Tamara arbeitet.

Tamara, vom Staudenfest zum „Brigglhof“

Tamara wuchs in Söll auf, am kleinen Bio-Bauerneschtl „Keilhof“, den heute ihre Schwester betreibt. Dort hatte sie schnell den richtigen Angriff für die Landwirtschaft. Mit drei Töchtern, seiner Frau und seiner Mutter hat der Papa fünf Weiberleut um sich. Mangels weiterer Mander müssen die Madln überall mithelfen, beim Vieh, am Feld, am Traktor. „Mei Job wår am Heu-Kran oben hucken“, erzählt Tamara. „Wir sind so erzochn, dass a Frau genauso årbeiten ku und nit viel weniger für die Landwirtschaft geeignet is.“ Auch sie absolviert die Ausbildung in der „Weitau“, danach eine Lehre als Einzelhandelskauffrau, und holt die Berufsreifeprüfung nach. Sie träumt schon lange davon, jung Mama zu werden und jung zu heiraten. Traumberuf Hausfrau und Mutter, und dabei Zuhause sein können. Das sollte bald gelingen ...

Sebastian und Tamara treffen sich öfter, und bald denkt sie: „Irgendwie måg i den gånz gean.“ Er lächelt: „Då håmma nimma ausmögn.“ Tamara kennt das Spertental schon vom Staudenfest in Aschau, gesellschaftliches Highlight der Gegend, bedeutsam wie der Opernball in Wien. Und wenn der Morgen das Dunkel der Nacht vertreibt, fühlt sich Tamara beim Heimfahren im ruhigen Tal sehr wohl. Wie dann auch mit der entspannten Art Sebastians. „Er is mei Ruhepol“, sagt die Temperamentvolle. Und benötigt er andersrum mal einen Kick, „dånn måcht sie mir Feuer unterm Hintern.“ Und weil das so gut zusammenpasst, zieht Tamara schließlich zu ihm auf den Hof. Angehender Bauer sucht Frau, Aufgabe gelungen. „Und i håb’s Paradies g’funden då“, sagt sie, nachdem sie auch von Sebastians Eltern Sonja und Wast gut aufgenommen wurde. Bald schenkt sie dem Sebastian den kleinen Sohn Tobias. Glück, was willst du mehr? Vielleicht, dass der Prinz noch um ihre Hand anhält. Tut er, wobei sie an jenem Tag gar nicht damit rechnet. Denn nachdem sie die Hennen in den Stall geleitet hat, erhellt die Wohnung nur flackernder Kerzenschein. „Und dann håm’s mi beide auf die Knie g’frågt, ob i gleich hoaßen möcht, wie sie zwoa“, also „Brunner“. Sie sagt „Ja!“ Die Trauung in der Söller Kirche, „die wår wunderschee“, eine große Musikantenhochzeit mit den zwei Kapellen, in denen sie musizieren. Und im Rasmushof Kitzbühel stieg an diesem Traumtag die Party.

Die Übernahme der Jungbauern

Das junge Paar diskutiert schon zuvor oft mit Sebastians Eltern, was man aus dem Hof machen kann, in Zeiten, in denen etliche Junge die viele Arbeit bei mäßigem Verdienst abschreckt. „Von der Låndwirtschaft muasst erst amoi des Nötige aussadawirtschåftn.“ Früher konnten viele noch mit einigen Kühen die Familie ernähren. Nur vom Hof leben, wäre auch für Sebastian und Tamara das Schönste, und so unterbreiten sie auch ihre neuen Ideen. „Jå, warum übernehmt’s es nit glei?“, fragen die Eltern, wo die ältere Schwester lieber Krankenpflegerin wird. Die Entscheidung bereitet Sebastian schlaflose Nächte, denn die Übernahme bedeutet auch mehr Verantwortung. „Dånn bin hålt i derjenige, der fällig is, wenn wås schiefgeht“, weiß der bald 30-Jährige. Aber er ist ja nicht allein. Und so vereinbaren sie letztes Jahr, dass die Jungen den „Brigglhof“ übernehmen. Sonja und Wast wollen sie dabei unterstützen, weiter mithelfen, und ihre Ideen mittragen: „Sågts, wås brauchts! Und los geht’s!“ Das schätzt das junge Paar unendlich, denn sowas ist nicht selbstverständlich. Und so setzen die Nachfolger als neuen Betriebszweig erst mal auf Wildmast-Hennen, um die Direktvermarktung ein bissl zu steigern. Sie investieren in einen neuen Hygiene-Verarbeitungsraum für die hofeigene Schlachtung. Die etwa 75 Wildmastküken vom Geflügelhof „Huber“ werden mit tiergerechterer Langmast dreimal im Jahr mit viel Grünauslauf aufgezogen, was eine längere Lebzeit der Tiere bedeutet. „Bei ins steht das Tierwohl gånz, gånz oben“, sagt Tamara. Das ergibt auch die bestmögliche Qualität. Während der Sommermonate werden ihre „Speascht“-Henderl nur als Ganzes ab Hof verkauft, und sie sind von Einheimischen so geschätzt, dass sie lange im Voraus ausreserviert sind.

Das erfahren auch die Gäste bei Tamaras Hofführung. In der „Rehm“ erzählt sie von der Heumahd. Dass Flächen- und Viehbestände hier viel geringer sind, als etwa in Norddeutschland, ermöglicht bei uns Qualität über Quantität zu stellen. Nach dem Stopp bei den Hühnern geht Tamara auf die Geschichte des Hofs ein, dessen Grundmauern 300 Jahre alt sind. Dann erobern die Zwergziegen das Publikum, und im Stall des Aufzuchtbetriebs dürfen einige der 30 Kälber und Kühe auch berührt werden. Die Eier der Legehennen, davon selbstgemachte Nudeln und andere eigene Produkte gibt’s im Hofladen hinterm Haus zu verkosten und zu kaufen – Rindsboxerl und -geselchtes, Bauernbrot, Marmelade vom Marillenbaum oder Moosbeeren aus dem Wald. Und nach einem wärmenden Punsch geht’s in der Kutsche retour nach Kirchberg, angereichert mit vielen neuen Bauernhof-Eindrücken.

Oma und Opa

Eine „herzensguate Seele“ am „Brigglhof“ ist Sebastians Oma. „De kust nur mögn“, sagt Tamara. Anna ist bekannt für ihre Witze und Sprüche. „Na, mei Lebtåg“, sagt sie, wenn sie von neuen Plänen am Hof hört. Oder: „Huckt’s an Åsch voi“, nehmt Platz! Denn sie hat ihre Liebsten gern um sich, am besten gleich die ganze etwa 20-köpfige Familie. Und dann verteilt sie nicht nur Sager sondern auch Flüssiges: „Wenn’s einen Grund zu feiern gibt, ohne Schnapsl kimmst bei ihr fåst nit aussi!“, lacht Sebastian. Und gibt’s keinen Grund, wird einer erfunden. Anna kam der Not wegen mit der Familie aus Südtirol, um ihr Glück in Österreich zu suchen. Und über Umwege fanden sie es bei Sebastians Opa Sepp hier im Spertental. Der heiratete die Anna sogar, und seine Schwester gleich Annas Bruder. Sepp liebt Holz und ist den Jungbauern stets eine große Hilfe, bei Reparaturen oder beim Umbau. Und weil die Anna und der Sepp schon ihre Diamantene Hochzeit feierten, sind sie den Jungen auch ein großes Vorbild in Sachen Ehe.

Volle Power! Volle Bauer!

„Ohne das Z’såmmenhelfen der Familie geht’s nit, auf koana Landwirtschåft“, sagt Tamara. Jemand muss immer daheim sein, auch wenn sie und Sebastian mal zur Erholung wegfahren, oder wenn die Musikkapelle ruft. „Die Musig is im Bluat“, auch schon bei Tobias: „Der bringt mit zwoa Jahr scho beim Bass einen Ton aussa.“ Seine Eltern spielen auch bei einer Tanzlmusig, den „Falkensteiner Musikanten“ und den Weisenbläsern mit. Außerdem ist Sebastian bei der Bergrettung, und Tamara geht zusätzlich abends im „Aschauer Hof“ kellnern – noch eine Hilfe, damit sie den Hof auch für Tobias zukunftssicher machen können. „Wir sind åber a gern am Weg und mögn, dass sich wås riascht“, sagt sie. Und so bleibt selten Zeit für einen Abend zu dritt, allein daheim. „Langweilig gibt’s bei ins nit.“ Oft ist das freilich „echt zach“. Denn auch nach dem Elektriker-Job wartet daheim noch Arbeit auf den Bauern. Da fällt er oft erst spät auf die Couch. „Åber wennst viel selber måchen und spåren willst, muasst hoit a bissl beißn.“ Doch Sebastian und Tamara lieben die Landwirtschaft, „da blühen wir beide auf!“ Mit dem Ziel, am Hof so wirtschaften zu können, dass sie alle zuhaus bleiben können, nehmen sie Erweiterungen, neue Betriebszweige wie eine Fischzucht-Anlage oder die Modernisierung des alten Hofs in Angriff. Und bei ihrer Dynamik und positiven Energie ist das Jungbauernleben wohl sehr berauschend für sie. „Auf jeden Fall“, sagt Sebastian. „Jetzt simma no jung und können voll einistarten.“ Volle Power! Volle Bauer! „Gemma Gas! Gemma das Beste!“, sagen sie, „Ois für insa Zukunft“, da wo andere urlauben, und auch mal mit dem Pferdeschlitten hinfahren. Da, im Paradies am „Brigglhof“.

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