Das Urgestein vom Stoaberg
Sein Lebensweg gilt den Bergen: Leopold Würtl steht mit über 70 Jahren als aktiver Kletterer und Hüttenwirt dem jungen Nachwuchs in nichts nach. Sein Geheimrezept für seelische und körperliche Gesundheit: Eine Portion Zufriedenheit und die Kraft der Tiroler Berge.
Die langen Barthaare sind bereits schneeweiß gefärbt, doch das spitzbübische Funkeln in seinen weitgereisten Augen verrät, dass Leopold Würtl im Herzen stets jung geblieben ist. In St. Ulrich am Pillersee aufgewachsen, ging er durch die strenge Schule des Lebens. Gemeinsam mit vier Geschwistern galt es, auf der elterlichen Landwirtschaft und im familieneigenen Tischlereibetrieb mitanzupacken, wenn helfende Hände gebraucht wurden. Und das war täglich der Fall, lacht Leopold: „Es war körperlich eine anstrengende Arbeit, Maschinen gab es damals noch keine, die Tage waren lang, geschadet hat es uns jedoch nicht.“ Nach der Schulzeit erlernte Leopold wie sein Vater das Tischlerhandwerk und machte sich als Bodenleger selbstständig. Erst viele Jahre später übernahm er den Familienbetrieb, welchen er erfolgreich mit zehn bis fünfzehn Mitarbeitern führte und inzwischen bereits einige Jahre von der jungen Generation weitergeführt wird. Das Motto: „Für unsere Kunden arbeiten wir auf Hochtouren.“ Ein Wortspiel, welches hervorragend zu seiner liebster Freizeitbeschäftigung passt, dem Erkunden der faszinierenden Bergwelten von Mutter Erde.
Von den Drei Zinnen bis nach Südamerika
Sportlich schon immer aktiv unterwegs, wurde das Alpinbergsteigen alsbald seine Leidenschaft als junger Mann. Gemeinsam mit einer eingespielten Truppe aus versierten Bergkollegen ging es zuerst zu den Drei Zinnen nach Südtirol und später weiter nach Peru und Ecuador. „Damals kletterten wir noch mit hohen, steifen Bergschuhen und hatten schwere Rucksäcke zu tragen. Heute hat sich der Sport stark verändert, ist leichter, flüssiger geworden.“ Als Hüttenwirt der Schwarzenberghütte in der Glocknergruppe, Mitglied der Bergrettung Tirol und langjähriger Obmann der HG Stoaberg ist der fünffache Familienvater Fels und Gipfel trotz so manchem Schicksalsschlag immer treu geblieben: „Auf unserer Tour in den peruanischen Anden verstarb ein guter Freund an Höhenkrankheit. Mir selbst wäre beinahe die Besteigung des Großglockners zum Verhängnis geworden. Mit einer Seilschaft von sechs Personen stürzten wir damals allesamt im 45 Grad steilen Glocknerleitl ab. Nur durch pures Glück blieben wir vor einem großen Abhang hängen und somit vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Solche Momente zeigen einem wieder, dass wir hier auf Erden und auf den Gipfeln nur Gast sind und wir für jeden Tag, an dem es uns gut geht und wir gesund sind, dankbar sein sollten.“
Klettergebiet Steinplatte
Heute trifft man Leopold oft und gerne mit jungem Nachwuchs oder alteingesessenen Kletterkollegen in den Loferer Steinbergen an. Von den Einheimischen werden sie kurzerhand „Stoaberg“ genannt und der Name ist durchaus Programm. Zu einem der bekanntesten Klettergebiete zählt dort die Steinplatte. Sie bietet mit einem kompakten Felsen und über 700 Routen alles, was das Sportlerherz begehrt. Kletterlegenden wie Markus Bendler, Chris Sharma und die Huber-Buam testen hier immer wieder ihr Können. Dank der Bergbahnen ist der Zustieg in kurzer Zeit bewältigt.
Sein Grundnahrungsmittel: Die Berge
Für Leopold Würtl ist klar: Sein Lebensweg gilt den Bergen. Ein konkretes Rezept hat er für seine körperliche und seelische Fitness zwar nicht, „eine gewisse Grundzufriedenheit hat jedoch noch niemanden geschadet“, merkt er schmunzelnd an. „Bist du mit dir selbst zufrieden, dann bist du auch mit deinem Umfeld zufrieden." Und genau dieses dürfte an seinem Seelenheil wohl eine wesentliche Rolle spielen: Die einzigartige Tiroler Bergwelt. Die wohl für jeden, der die Alpen liebt, Kraftplatz und kostbare Energie-Tankstelle zugleich ist. Man muss die Wege schließlich nur zu gehen wissen, um letztlich zum persönlichen Lebensglück zu gelangen.