Fräulein Veffis Glück
Beim Shoppen in Kirchberg verbirgt ein kleines Schmuckgeschäft das große Abenteuer der Eva-Maria Schmidt und glitzernde Geheimnisse des Lebens.
Es gibt sie selten, diese Tage. Das war so einer. Da betrittst du einen Ort und begegnest jemandem, der dir etwas erzählt, und plötzlich hast du viel übers und fürs Leben gelernt. Im Schmuckgeschäft „Fräulein Veffi“ versprüht Eva sofort eine wunderbare Aura. Und obwohl sie sich eigentlich gern bescheiden zurückhält, erzählt sie mir ihre spannende, inspirierende Geschichte.
Die Muscheln von Lignano
Eva-Maria kommt 1988 in St. Johann zur Welt und wächst in Kirchberg auf. Ihre Eltern und Geschwister zogen von der Steiermark hierher, als ihr Vater Max Direktor im „Alpenhof“ wurde. Zur schönen Kindheit Evas zählen auch die Urlaube in Lignano. „Da bin ich immer zum Strand Muscheln suchen“, erinnert sie sich, und sie verzierte damit Schmuckkasterl oder Bilderrahmen – erste Anzeichen des späteren Berufs. An der Handelsakademie Kitzbühel verliebt sie sich in David, ein in Reith lebender Bayer. „Er is a kloana, mutiger Abenteurer, aber innerlich ein Ruhiger, Feiner“, schwärmt sie. Eva wird Assistentin des Geschäftsführers einer Privatbank in Kitzbühel. Der Job ist aufregend, sie verdient gut, doch als sie spürt, dass ihr Herz für etwas Kreativeres schlägt, will sie in Wien Germanistik studieren. Kurz davor ein schwerer Schicksalsschlag, als der Papa unerwartet an einem Herzinfarkt stirbt. Eva und die Familie fallen in ein tiefes Loch, und alle versuchen irgendwie, den schweren Verlust zu verarbeiten.
Auf unbewusster Suche und ein Tag am See
Die Kirchbergerin flieht nach Wien, und nach dem „Bachelor“ dort absolviert sie noch ein Medien-Studium in Innsbruck. Dann ein neuer Impuls: sie zieht mit David nach München und spürt bei „Westwing“, dem größten Online-Möbelhaus für Interior, Trends und Marken auf, die in einigen Jahren angesagt sein dürften. „Ein superkreativer Job“, doch nach und nach ahnt sie, dass extrem teure, trendige Möbelstücke mit den wahren Werten des Lebens wenig zu tun haben. Eva ist längst auf der Suche nach sich selbst und nach ihrer Bestimmung. 2019 dann am Weißensee in München der Tag, der alles ändert. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel fragt Eva: „David, was tätst du ändern, wenn du es jetzt ändern könntest?“ Gar nichts! Obwohl: „Sicher wär’s cool, wenn wir uns jetzt einen Campingwagen kaufen und damit am Wochenende wegfahren würden.“ Auch wenn sie gar keine Camper sind. „Oder oafach amoi alles abbrechen und frei sein.“ Da zieht es der Eva die Ganslhaut auf. Sie haben doch alles, was man braucht, um durchzubrennen. Und so überlegen sie, wie das funktionieren könnte. Sich in Bali, Australien und Neuseeland ganz frei treiben lassen – drei Monate lang, Option Open End, solange das Geld reicht oder sie sich mit Jobs über Wasser halten können. „Trau ma ins oder trau ma ins nit?“ Evas Eltern erzählten früher immer, was sie nach dem Pensionsantritt nicht alles unternehmen werden. Dass ihr Vater es nicht mehr erleben durfte, führt ihr vor Augen: „Nix aufschieben!“ Auch das hilft ihr nun, zu wagen, über den Tellerrand hinauszuschauen und den Trip anzutreten. Eva und David kündigen ihre Jobs, und zwar ohne Rückkehrmöglichkeit. Außerdem trauen sie sich auch noch vor dem Altar, nach 17 Jahren Beziehung. Sie hat es sich im Universum bestellt. „I wünsch mir Dinge gern, und so hol i mir meine Wünsche her. Und es war die tollste Hochzeit in der kloan Kirchn in Aurach“, und die schönste Feier im „Hallerwirt“.
Bali und eine kleine Tasche für zwei
Zu Silvester 2019/20 dann ab nach Bali, nur mit einer kleinen Tasche für zwei, für drei Monate. „Då fångt mei G’schicht eigentlich an“, sagt Eva, „Jetzt werde ich ich.“ Und wie gut passt dafür ein Land mit dem richtigen Spirit: Die zu Indonesien gehörende Insel im Indischen Ozean mit tropisch warmem Klima. „Die Menschen dort und a der Glaube“, das fasziniert Eva. Egal, wo sie auf ihrem gemieteten Motorroller hinkommen, überall werden Opfergaben für die Götter vor die Türen gelegt, mit etwas Geld, Räucherstäbchen oder einer Lotusblume. „Des wår oafach schee.“ Eva und David erkunden Orte, an denen sie noch nie waren. Motto: „Wir finden uns jetzt in unser Abenteuer eini.“ Alles auf kleinem Fuß, und mit „Bed & Breakfast“-Zimmern in einer fremden Welt. Ganz nach Aristoteles, der sagte: „Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!“ Zwei Hosen, drei T-Shirts, ein Bikini, „aber koa Schminkzeug. Das war der erste Befreiungsschlag.“ Jetzt kann Eva auch wieder in Ruhe lesen, was ihr zwischenzeitlich verlorenging. „Im Beruf wår koa Zeit, nur arbeiten, von der Früh bis zum Abend, ins Bett fallen, und dann wieder weiter.“ Bali, „des war wirklich voll magisch.“ Sie sind stolz, den Schritt gewagt zu haben, verspüren keinerlei Ängste, auch nicht zu ihrer Zukunft, haben ein Urvertrauen, dass alles gut wird.
Im Camper durch Australien und Neuseeland
Mit ihrem „bissl Geld“ geht’s weiter nach Australien, zum „Great Barrier Reef“, dem wüstenartigen Inland und zu den Kängurus. „Da sind wir das erste Mal in einem Camper gereist“, den hatten sie zuvor schon gemietet. Faszinierend, die Mentalität der „Aussis“, die den beiden Wildfremden auch anboten, bei ihnen zu nächtigen. „Wer tät des bei ins? Koana!“ Es überkommt sie ein Gefühl von totalem Wohlbefinden. „I wår dort wirklich a ånderer Mensch“, so Eva. „Es wår oafach mei kloans Abenteuer, und wir haben ins aufs Wesentliche fokussiert, haben mal nur Bananen oder Tomaten gegessen.“ Und wie haben sie es zu schätzen gelernt, und auch ihre Dankbarkeit und Bescheidenheit gespürt. Und trotz aller Euphorie wird Eva auch wieder bewusst, „wås dahoam für ein Glück is.“
Als Eva und David in Neuseeland mit seinen Vulkanen und Kiwis angekommen sind, setzt Mitte März Corona auch Österreich unter Schock, und es wird ihnen geraten, dort zu bleiben, wo es noch kein Thema ist. Nach und nach aber werden die Flüge in die Heimat gestrichen, auch die ihren. Die Ausländer flüchten, und da werden auch die beiden nervöser. Dann in Australien nur noch ein 72-Stunden-Fenster für Flüge nach Deutschland, und David nützt eine winzige, letzte Chance auf einen Flug. So schaffen sie es im allerletzten Moment zurück nach München.
Back to the Roots und zum eigenen Shop
Zurück zu sein in der Heimat, ist ein schönes Gefühl, trotz Pandemie, Lockdown und Job-mäßigem Stillstand. Wobei Eva nie wählerisch war. „Egal ob i im Café arbeite oder als Verkäuferin bei einer Drogeriekette.“ Von der Reise brachte sie einige gesammelte Perlenstränge und wunderschöne Muscheln mit, und die wecken nun wieder ihre Freude am Basteln. Die Armbänder und Schmuckstücke, die dabei entstehen, finden genauso Anklang wie früher. Und so haben Eva und David die Idee, Lockdown sei Dank, einen Online-Shop aufzubauen. Er kreiert ihn am PC, sie meldet das Gewerbe an. Startkapital der Neo-Schmuckdesignerin: 150 Euro. Damit bestellt sie auch Verschlüsse und Schmuck-Schnüre. Als sie eine Werkstatt sucht, sieht sie, wie ein kleines Geschäft in Kirchberg renoviert wird und ruft den Besitzer an. „Hallo, då is die Eva. I woaß nit, wer du bist, aber i håb gråd das G’schäft g’sehn.“ Ihm gefällt, dass Eva da drin gern Schmuck fädeln würde, und sie denkt sich: „Okay, Eva, jetzt traust di des Naxte! Und håb mi ins ,Fräulein Veffi‘-Abenteuer gewagt.“ Mit diesem Namen hatte die Oma sie früher oft gerufen: „Veffi“, der Spitzname für Eva. Nun hat sie also ihren kleinen, eigenen „Wohlfühlort“, in dem sie Schmuckstücke anfertigen und gleich verkaufen kann. Im März 2021 die Eröffnung, da sorgt der ungewöhnliche Name bei einigen für Verunsicherung: „Ma, i håb gmoant, des is a Hundesalon.“ Oder ein Nagelstudio. Eva war ja lange nicht im Dorf und vor allem die Jungen kennen sie nicht. „Koana hat die Schmidt Eva kennt!“
Kleine Stücke mit großer Botschaft
Was sich der frühere Sicherheitsfreak nie vorstellen konnte – „Es ist das Schönste, sei eigener Chef zu sein.“ Und sich einfach selbst vertrauen. „Es is so a tolles Gefühl, wenn du begreifst, du bist genug.“ Egal, was andere denken. „Des bin jetzt i.“ Von ihren anfangs zehn Designs sind es mittlerweile hundert, ca. 75 Prozent fertigt sie selbst. Ihr Sortiment erweitert die Kirchbergerin immer wieder, und so bekommt man bei „Fräulein Veffi“ auch Papeterie, Kalender, Billetts, Kerzen und T-Shirts mit Botschaften, auch von David entworfen. „Kleine Lieblingssachen von mir.“ Ihre Philosophie: „Einfach auf mi selber horchen, auf das Gefühl, wås mir g’fållt“, dann könnte es auch anderen gefallen. Und so ist es. Ihre wachsende Kundschaft freut sich über die Einmaligkeit des Schmucks, gefädelt von Eva. „Då is mir wichtig, dass die Leut wissen, wo’s herkimmt, und wer’s måcht.“ Und dass es ein kleines, leistbares Stück ist, das Freude bereitet, „und das dich vielleicht lang begleitet.“ Ohrringe mit einer kleinen Perlblume zum Beispiel, oder ein ganz schlichter Ring mit Gold. Sie verwendet fast ausschließlich feine Materialien aus recycelten Quellen, und sie liebt auch ihre Edelstein-Ringe, denn jeder Stein besitzt seine Kräfte. Wobei Eva auch auf die eigenen setzt: „Ich glab, es is wichtig, dass du checkst, dass du der Måcher deines Glücks bist.“ Und ein kleiner Ring kann dich daran erinnern. Und daran, dass du dich was trauen kannst, dass du du selbst sein sollst, „und dass oafach alles guat wird.“
Es soll in den Vordergrund rutschen, „wås ma selber ku“, gerade bei den Jungen. „Weil wir sind so oft von der Meinung anderer abhängig.“ Eva hat für sich gelernt: „Je mehr mir egal wird, was andere von mir denken, umso leichter und toller wird’s. Und umso mehr is auf oamoi machbar!“ Und umso mehr entdeckt man, wie schön es ist, dass man nicht so ist, wie alle anderen! „Sich wieder trauen, zu sagen, was man mag und was nicht!“ Damit können wir alle im Leben wachsen und glücklicher werden. Es beginnt bei kleinen Dingen, man setzt jeden Schritt, und es ist kein Hokuspokus. Eva ahnte nie, dass sie mal ein Geschäft führen wird, „und wenn’s so weiter geht, bis i 70 bin, liebend gern“, lächelt sie. „I möcht koa Zeit mehr aufschieben. Es gibt mir so viel mehr.“ Und man muss nicht reich sein, um in die Welt zu fliegen, einen Shop zu eröffnen oder auch zu erkennen: „Es is das Scheenste, wennst bei bei ins vor dei Tür aussigehst und du stehst im Wald. Bei ins is alles scheener und besser. Bei ins is oafach dahoam sei!“, strahlt Fräulein Veffi.
Erschienen in "Bei ins dahoam" im November 2022