Markus, Thomas und ihre Mädels
Über zwei Burschen, die am Penningberg ihren Traum wahr gemacht haben – mit einer Käserei.
Mein Favorit ist Walnuss. Weil sich das Nussige so herrlich mit dem Cremigen, Sahnigen des Käses verbindet, mmh. Obwohl: Chili ist auch nicht ohne. Die Schärfe prickelt richtig ein bisschen auf der Zunge, einfach genial …
Mit dem Käse stimme ich mich ein für eine Geschichte – wieder einmal am Penningberg. Nach ein paar umsonstigen, aber landschaftlich sehr reizvollen „Bonuskilometern“ in Richtung Innerpenningberg fahre ich zurück (ein echtes Orientierungs-Genie), biege beim Leamwirt dann doch richtig ab und steuere im Penningdörfl direkt auf den Rehaberhof der Familie Ehammer zu. Eigentlich ganz einfach zu finden. „Erbhof“ steht auf der großen Plakette neben der Haustür zu lesen. Und die Jahreszahl 1654. Direkt an der Längsseite des Hofs führt der KAT-Walk vorbei, der Weitwanderweg, auf dem Wanderlustige in wunderschönen Etappen von Hopfgarten bis nach St. Ulrich marschieren können.
Markus und Thomas, zwei fesche Burschen mit trendigem Vollbart, erwarten mich schon in der Milchstube. Der Raum war einmal das Schlafzimmer der Schwester. Markus, der Käsemeister, ist mit 25 Jahren der Jüngere der beiden. „I schau aber älter aus, weil i drei ältere G’schwister håb“, lacht er. Sein Burder Thomas wirkt wirklich sehr jung, dabei ist er „schon“ 27. Es liegt an den Augen. Diese Augen! Groß, rund, dunkelbraun, von dichten schwarzen Wimpern umkränzt. Ich muss mich zwingen, den Blick abzuwenden. Es geht schließlich um Käse.
Markus wagt sich an die Königsdisziplin
Die zwei sind mit ihren beiden Schwestern hier am Rehaberhof aufgewachsen. Die wievielte Generation ist es, die hier lebt? Die beiden tauschen fragende Blicke. Das hat noch keiner wissen wollen und niemand ausgerechnet. Der Hof muss aber 250 Jahre im Besitz der Familie sein, um als Erbhof anerkannt zu werden. Also sind es viele Generationen. Dass die Brüder heute ihre Käserei am elterlichen Hof betreiben, war alles andere als vorhersehbar. Keines der Kinder wollte ursprünglich die Landwirtschaft übernehmen. Den Jüngsten, Markus, schickten die Eltern Evi und Kaspar aber vorsorglich in die Landwirtschaftliche Lehranstalt Weitau, ganz abgeneigt ist er nicht. Und man weiß ja nie.
Bauer zu sein kann sich Markus nach seiner Ausbildung in der Schule schon vorstellen. Aber nicht Nebenerwerbsbauer wie die Eltern. „Eing’spannt sein in zwoa Radl, immer hin- und herg’rissen zwischen zwoa Baustellen, na, des is nix für mi.“ Er nimmt einen Job bei der TirolMilch an. Milch zu verarbeiten gefällt ihm, es gefällt ihm sogar sehr gut. Er wird Käsemeister. Und hat eine Idee: Was, wenn er daheim Käse machen würde, vielleicht sogar Weichkäse? Nicht viele wagen sich an diese „Königsdisziplin“ der Käserei. Er stellt erste Versuche an am elterlichen Hof. Sie verlaufen vielversprechend. Aber alleine ist so ein Projekt – eine moderne Käserei am Erbhof – nicht zu stemmen. Er klopft bei seinem Bruder an – und rennt offene Türen ein. Thomas ist Tischler, aber er denkt daran, sich zu verändern. Der Zeitpunkt dafür ist perfekt, die Aufgabe reizt ihn.
Gemeinsam ans Mega-Projekt
2014 starten die Brüder mit ihren Planungen – und stellen sich einer Riesenherausforderung. Denn die Auflagen bei der Produktion von Lebensmitteln sind streng und umfassend, besonders, weil es sich bei Weichkäse um ein leicht verderbliches Produkt handelt. Haare raufend kämpfen sie sich durch das Lebensmittelrecht. Maria, ihre älteste Schwester, steht ihnen dabei – und bei allen anderen rechtlichen Belangen – zur Seite. Eine echte „challenge“ ist das Lebensmittelkonzept der EU mit all seinen Bestimmungen, nicht „ohne“ sind auch die Anforderungen bei der Betriebsanlagengenehmigung. Die Büroarbeiten erledigen die angehenden Unternehmer zwischen vier und sechs Uhr morgens, dann geht’s auf die Baustelle. Eine weitere Hürde ist zu überwinden: Mit einem Jausenbrettl voller Kostproben und einem Businessplan sprechen die beiden „Jungspunde“ bei der Bank vor. Es läuft perfekt: Der Camembert schmeckt, die Finanzierung steht.
Zeitgleich mit der Planung der Käserei und den Umbauarbeiten wird der elterliche Hof Bio-zertifiziert. Eine weitere Unmenge an „Papierkram“: Ansuchen, Formulare, Dokumentationen. Eine weitere Herausforderung ist die Verpackung für den Käse. Die Gestaltung übernimmt Schwester Christina, sie ist Designerin und Fotografin – was für ein glücklicher Zufall. Markus und Thomas wollen ihren Bio-Käse am liebsten nur in Naturmaterialen verpacken, das wäre ganz im Sinne ihrer Philosophie. Aber es gibt keinen Hersteller, der passendes Papier liefern kann und garantiert, dass das Produkt entsprechend geschützt ist. So entscheiden sie sich für eines, das einen sehr geringen Plastikanteil aufweist. Dieser Prozess, der hier in zwei Zeilen beschrieben ist, nimmt Monate und Kilometer an Nervensträngen in Anspruch. Doch aufgeben ist nie ein Thema. Auch wenn sich die Brüder so manche schlaflose Nacht um die Ohren schlagen. Es steht schließlich viel auf dem Spiel.
Sie probieren und produzieren und probieren, lernen aus Fehlern. Einmal geht eine ganze Charge daneben, aber meistens gelingt der Käse. Im Oktober 2017 ist es dann soweit: Ihre Käserei wird offiziell eröffnet. „Des wår scho da schenste Tåg in mein Leben“, sagt Thomas. Seitdem läuft der Betrieb, und er läuft gut. Die Milchbuben liefern ihre weißen, cremigen Rundlinge an viele Verteilerstellen in ganz Österreich und auch nach Deutschland. Denn am KAT Walk, so stellte sich heraus, wandern nicht nur Private, sondern auch Unternehmer. So mancher von ihnen schaute neugierig bei den Brüdern vorbei und kam ins Geschäft mit ihnen. Selbstverständlich hieß es für die beiden aber auch „Klinkenputzen“ und viele Geschäftskontakte anbahnen – weit weg vom KAT-Walk.
„Natürlich samma nu lang nit då, wo ma sein wollen und miass’n“, räumt Markus ein, „aber die Richtung stimmt.“ Bis zu 1.000 Stück Weichkäse rollen in der Woche über die Theke oder, besser gesagt, vom Hof.
Bio fühlt sich richtig an
Die Milchbuben sind überzeugte Bio-Produzenten. „Ohne Bio war’s a gånga, åwa so fühlt’s sich richtig u“, erklärt Markus. Nachhaltigkeit ist für die beiden keine leere Worthülse. Die Energie für den Betrieb der Käserei kommt aus dem Wald – als Hackschnitzel. Dafür setzen die beiden dann wieder junge Bäume. Die Kühe am Hof – die wichtigsten Mitarbeiterinnen der beiden – fressen natürlich nur Bio-Futter und genießen am Rehaberhof, der nach wie vor von den Eltern bewirtschaftet wird, ein gemütliches Leben. Ihre „Mädels“ sind keine Hochleistung-Milchproduzentinnen, sondern Familienmitglieder. Der Stall verfügt über doppelt so viele Liegeboxen wie Kühe. „So lang a Kuah bei uns auf a nach’nt fit is und gemiatlich dahituat, bleibt’s.“ Abschied nehmen fällt schwer, so wie bei „Romy“, die Brüder wechseln einen vielsagenden Blick. „Im Dezember wårn’s zwoa Jåhr, dass gånga is,“ erzählt Thomas. 19 Jahre war die Kuh Romy alt, Markus und Thomas sind mit ihr als Kinder spazieren gegangen.
Die beiden wollen nicht mehr Milchkühe als jetzt im Stall haben, eher weniger. Die fehlende Milch werden sie in Zukunft von Biobauern zukaufen und denen dafür einen besseren Preis zahlen. Die Kälber, die jedes Jahr zur Welt kommen, nimmt ihnen ein Bauer in Innerpenningberg ab und zieht sie auf. Die beiden können sich vorstellen, später vielleicht auch einmal Schweine zu halten, die sie mit der Molke, die bei der Käseherstellung anfällt, füttern. Das würde wieder einen Kreislauf schließen, für Gleichgewicht sorgen. Das ist den beiden sehr wichtig.
Nicht überall stoßen sie mit ihrer Philosophie, die ganz auf „bio“ setzt, auf Verständnis. „Bei euch wird’s a regnen, und dann is da Kas nimmer bio,“ haben sie schon gehört. „Natürlich ku ma nit ois beeinflussen,“ räumt Thomas ein, „åwa wås ma toa ku, des soi ma toa“, ergänzt Markus. Die beiden wirken so harmonisch – streiten sie denn nie? Wieder tauschen sie Blicke, bevor Markus sagt: „Eigentlich ned, mia håm scho ois Kinder guat g’schaffn.“ Nachhaltig wie sie arbeiten, kommen sie übrigens auch zur Arbeit. Markus, der mit seiner Sarah eine Wohnung in Wörgl hat, holt Thomas –er wohnt mit Regina zusammen – in Hopfgarten ab. Beide leben von der Käserei, auch wenn sie sich viel weniger auszahlen, als sie früher in ihren Jobs verdient haben. „Es is erstaunlich, wia wenig Göd ma braucht“, sagt Thomas. „Jå, wenn’s’t koa Zeit håst zum Ausgeben,“ lacht Markus. Aber gleich ist er wieder ernst: „Reich werden miass ma net, dafür is des ned de richtige Branche. Solange von der Landwirtschaft drei Familie leben kinan, passt des.“
Mit ihrer Käserei zeigen sie auf, dass Landwirtschaft auch heute noch erfolgreich sein kann – wenn auch auf andere Weise. „Für Bio-Produkte kriagt da Bauer an besseren Preis, er håt mehr Arbeit, und so ku Landwirtschaft wieder funktionieren“, meint Thomas. Nicht jeder kann sich die teureren Bio-Produkte leisten, mag so mancher einwenden. Markus sieht darin ein grundsätzliches Problem – und zwar bei der Wertschätzung. „De Leit’ geben Unsummen aus für Handys, Bekleidung, Autos. Aber beim Essen wird g’spårt. Dabei leb’n mia davon, wia des Wort Lebensmittel scho sågt. Eigentlich sollte uns des am wichtigsten sein.“
Durch ihr Projekt, die Käserei, haben die Brüder viele interessante Menschen kennen gelernt und von vielen Seiten Unterstützung erfahren, am meisten von ihrer Familie. Dafür sind sie sehr dankbar. Sie haben viel gelernt in den letzten Jahren – fürs Leben. Unter anderem, wie man es schafft, die Augen offen zu halten, wenn man einen Schwall Milch ins Gesicht gegossen bekommt. Und wieder einen. Und noch einen. Schwester Christina meinte, das gäbe coole Fotos für den Werbeauftritt. Sie hat vollkommen recht, die Bilder sind toll, das Video ist noch besser (alles auf der Milchbuben Homepage zu finden).
Käse machen macht glücklich
Wie stellen sich die Brüder ihre Zukunft vor, wie sehen sie sich in 20 Jahren? „Hoffentlich allweil nu g’miatlich do“, lacht Thomas, und Markus nickt dazu. Die beiden haben noch einiges vor, wollen noch viele Ideen umsetzen. Nachhaltig wirtschaften, in der Region und für die Region. Markus wird irgendwann den elterlichen Bauernhof übernehmen und beziehen, in dem großen, schönen Hof findet eine große Familie Platz. Sarah und Regina, die Freundinnen der beiden, stehen voll und ganz hinter ihren Milchbuben und unterstützen sie, wo es möglich ist.
„Lebensmittel selber produzieren is scho lässig“, sagt Markus mit Nachdruck, „I glab, dass des immer mehr Leit toa werden, es is oafach a guads Gefühl“, bestätigt Thomas. Sinnstiftend ist es wohl. Und glücklich-machend. Denn wie sagen die beiden: „Mia g’frein ins über jeden oanzelnen Kas, den ma vakaffn.“ Laut Milchbuben-Rechnung macht das an die tausend Mal freuen in der Woche. Eigentlich beneidenswert, der Job der „Rehaber-Buam“. Das kann halt nicht jeder machen. Aber genießen können wir ihn alle, den Penningberger Käse, mit Walnuss oder Pistazie oder mit Chili, das prickelt richtig so ein bisschen auf der Zunge, …