Ranggenalm im Kaiserbachtal

Bernhard Schwaiger ... Erhalter der Kulturlandschaft

Bernhard Schwaiger war nicht vorgesehen. Für die Übernahme des elterlichen Hofs in Kössen. Dafür hat er viel gesehen. Von der Welt. Als Skilehrer verbrachte er ganze 10 Lebensjahre im saisonalen Pendel zwischen Europa und Australien. Zurück in Tirol, zeigte er immer mehr Interesse an der Landwirtschaft und baute die Ranggenalm im Kaiserbachtal und damit ein schönes Stück Kulturlandschaft wieder auf. Mit dem Senner Michael hat er jemanden gefunden, der besondere Orte und eine nachhaltige Bewirtschaftung genau so schätzt, wie er selbst.

Bernhard ist Landwirt und hat große kräftige Hände, einen bescheidenen Blick und eine ruhige, eher sanftmütige Ausstrahlung. Obwohl er sich anfangs nicht sicher ist, ob er mir seine Geschichte überhaupt erzählen soll, sitzen wir nicht viel später vor der Almhütte (Ranggenalm) und unterhalten uns über Idealismus, Verzicht und Almwirtschaft im Naturschutzgebiet. „Unsere Gegend ist einmalig, aber für die Almbewirtschaftung bewegen wir uns dabei schon an der Grenze des Machbaren“, spricht er die hier vorherrschenden Rahmenbedingungen mit klaren Worten an. Es ist ein Mix aus Liebe zur Tradition und Respekt für die Vor-Generationen, die das alpine Land unter kaum vorstellbaren Strapazen in eine für die Almwirtschaft geeignete Kulturlandschaft transformiert hatten, der ihn antreibt und seiner Berufung folgen lässt. Wie viel Artgenossen der Spezies „leidensfähige Idealisten“ es sonst noch in der Region gibt, weiss er nicht. Aber es werden nicht viele sein.

„Nur da, wo bewirtschaftet wird, gibt es Leben“

Das notwendige Zusammenspiel aus Almwirtschaft und Naturschutzgebiet ist nicht immer lustig. „Aber die Mühen sind ja sinnvoll, denn in der Natur zu sein, gibt mir sehr viel Genugtuung“, stellt der Tiroler Landwirt fest. Während Bernhard über seine Motivation spricht, bemerke ich wieder die großen, kräftigen Hände. Die Stimme bleibt sanft, manchmal mit Nachdruck. Das Gesagte ist gut überlegt und immer wieder durch kleine Nachdenkpausen unterbrochen. Bernhard Schwaiger ist kein geübter PR-Mann, der mit Phrasen und Worthülsen jongliert. Seine Worte sind jedoch keinesfalls sinnentleert, sondern bilden eine starke regionale Story, die es wert ist, erzählt zu werden. „Die Ranggenalm hat einen besonderen Stellenwert, aber die Politik schätzt zu wenig, was man hier an Wertschöpfung leistet“, bringt er es ehrlich auf den Punkt. Ob sie das gerne hören in Wien? Anyway, der Zustand der Geringschätzung wird sich so schnell wohl nicht ändern, aber Wahrheit tut manchmal sehr gut. Dabei geht es ihm nicht um ein öffentlichkeitswirksames Schulterklopfen, sondern um aufrichtige Anerkennung, dass durch die Almkultivierung eben auch touristische Landschaftspflege betrieben wird. Es sind vor allem Gäste, denen die Atmosphäre einer (gepflegten) Almlandschaft besonders gefällt. Ein Blick in aktuelle und vergangene Gästebefragungen bestätigt das eindeutig. Faktor „buchungsentscheidend“.

„Essen ist das Wichtigste“

Als Kind war Bernhard oft krank und verkühlt. Bis er am eigenen Leib erfahren durfte, dass Kräutertee und Ernährungsumstellung a la Hildegard von Bingen Abhilfe schaffen können. Gegessen wurde fortan nur, was hier (saisonal) wächst. Tomaten im Winter, das muss nicht sein. „Wenn man mit der Natur arbeitet, kann man gesunde Produkte ernten und durch den bewussten Verzehr entsteht dann zwangsläufig ein Bezug zur Ernährung“, untermauert Bernhard seine Lebensphilosophie, die ihn gesund bleiben lässt. Heute wird er nicht mehr krank. Aber der Prozess der Wandlung, die er vollzogen hat, dauerte über 30 Jahre. So etwas geht nicht kurzfristig. Sein Motto lautet: „Wer die Natur respektiert, hat gute Chancen gesund zu bleiben.“ Trendforscher nennen das heute den Lebensstil der Achtsamkeit.

„Michael, der Senner“

Jemanden aufzustöbern, der hier oben den Senner macht, ist zweifelsohne nicht leicht. Aber mit Michael aus Oberösterreich hat er einen für mich überraschenderweise sehr jungen Idealisten gefunden, dem es nichts ausmacht, auf jeglichen Komfort zu verzichten. Ein Großteil der Vertreter der heutigen Generation tendiert im Arbeitsleben zu Jobs, die sich von Montag bis Freitag gut planbar ausüben lassen. Die Schlussfolgerung erlaubt also die These, dass asketisches Almleben und das Schuften als Senner und Käser bei den „Digital Natives“ derzeit nicht sehr hoch im Kurs stehen. Das kommt vielleicht noch. Irgendwann mal. Als Flucht aus dem Digitalen in eine reduzierte haptische Welt.

Für Michael ist der Bergkäse, für dessen Produktion und Reifung er zuständig ist, sinnstiftend. Da haben sich scheinbar zwei gefunden, die ähnlich marschieren. Eine Partnerschaft, die ins neunte Jahr geht und sehr gut gedeiht. Der Bergkäse der Ranggenalm hat mittlerweile einen derart guten Ruf, dass ein Vertrieb auf einem der Bauernmärkte im Tal nicht nötig ist. Die Kunden, primär Wanderer, kommen dort hin, wo der Käse reift. In einer Kreislauflandwirtschaft, die garantiert, dass das, was im Käse drinnen ist, auch hier oben gewachsen ist. Und wer sich selbst davon überzeugen will, sollte die Wanderung auf die Ranggenalm nicht scheuen. Die Alm ermöglicht einen wirklich gigantischen Blick auf die wohl schönste Seite des Wilden Kaisers. Also: Raufgehen, hinsetzen, Handy ausschalten, Bergkäse mit Schwarzbrot essen und mit Senner Michael über das Leben reden. Tut gut. Garantiert.

Die Tour

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Stefan Heinisch

19.06.2017 - 00:00

Nach 15 Jahren Destinationsmanagement (Gasteinertal, Bad Kleinkirchheim) seit 2015 Projektmanager für den Verein Zukunftsorte Österreich, Supporter bei tourismusdesign in Tulln sowie Mitinitiator des Projekts contentkumpanei.com. Stefan ist Konzepter und Texter – immer auf der Suche nach Konflikten, die seinen Stories die nötige Würze geben. Reise-Afficionado, Slow Food Genießer und Gelegenheitssportler. Mehr Details

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