Bergab mit Spaß

Heini Kürzeder weckt in der Generation 50 plus die Lust am Trail-Biken!

Auf dem Parkplatz sind die meisten noch sehr, sehr vorsichtig. Die Federgabel komprimieren, das Gewicht auf dem Bike oder ­E-Bike verlagern, das Vorderrad anheben, das Hinterrad anheben, „Stoppies“ als Übung zur Kontrolle der Vorderradbremse üben, ... vor alldem haben viele Kursteilnehmenden zuerst einen Heidenrespekt. Und stellen schnell fest, dass das größte Hindernis nicht auf dem Parkplatz oder später auf dem Trail liegt, sondern im Kopf. Diese Erfahrung macht Heinrich Kürzeder sehr oft. Er bietet bei den OD Trails in Oberndorf Trail-Bike-Kurse für die Generation 50 plus an. Er ist selbst ein Stellvertreter dieser Generation und weiß: „Das Bergauffahren genießt unsereins ja. Oder wieder auch nicht, weil man weiß, dass es irgendwann auch wieder runter geht. Diese Angst vor dem Bergabfahren will ich meinen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern nehmen und ihnen zeigen, wie sie sicher und mit viel Spaß ins Tal gelangen.“

Heinrich oder „Heini“, wie ihn alle nennen, stammt ursprünglich aus Bayern und absolvierte die Ausbildung zum Werkzeugmacher. Aber: „Ich war in meinem gelernten Beruf nur mittelmäßig gut, richtig erfolgreich war ich immer nur im Verkauf“, sagt er von sich selbst. Er studierte in München Maschinenbau und lernte über einen Freund seine heutige Frau Ellen aus Waidring kennen und lieben – daher auch der Bezug zur Region. Heini verkaufte später nicht nur Produkte, sondern half Rednern dabei, sich selbst zu „verkaufen“, also Auftritte zu lukrieren. Er gründete die Agentur „5 Sterne Redner“, die in Deutschland zu den größten und angesehensten der Branche gehört. Er hat die Firma mittlerweile verkauft und unterstützt nun Vortragsredner dabei, ihre richtige Positionierung am Markt zu finden.

Sicherheit ist das Um und Auf

Heute leben Heini und Ellen die meiste Zeit über in St. Johann. Und weil der 65-Jährige früher Skilehrer und ein „wilder Hund“ war (sein Spruch beim Motorradfahren: lieber tot als überholt), suchte er sich im Ruhestand ein schönes Hobby – eines, das auch ein wenig Herausforderung birgt: das Trail-Biken. Das macht er bereits seit zwanzig Jahren, Bergauffahren ist hingegen nicht so sein Ding: „Ich bin eher der faule Typ!“ Über den Bau der OD Trails in Oberndorf und des Harschbichl-Trails in St. Johann freute er sich deshalb sehr. Und Verkäufer, der er nun einmal ist, hatte gleich auch eine Idee: Er wollte mit seiner Begeisterung andere Menschen seines Alters ansprechen und ihnen zeigen, wie schön und sicher das Bergabfahren sein kann. Als er jedoch zum ersten Mal einen Trailkurs für die Altersgruppe 50 plus anbieten wollte und dafür eine Partner-Bikeschule suchte, lachte man ihn überall aus. Bis er bei der Bikeacademy in St. Johann „anklopfte“ – Kurt Exenberger erkannte das Potential und gab Heini eine Chance.

Inzwischen hat er schon viele Kurse abgehalten, er gibt sein Wissen gerne an Leute seines Alters weiter. „Ich kann ja nicht einem 22-Jährigen lernen, wie man einen 5-Meter-Drop springt, das kann ich auch nicht mehr, da bin ich zu alt dafür“, sagt er. „Und wenn es mich heute in die Botanik steckt, dauert es halt drei Wochen länger, bis der Arm wieder angewachsen ist.“

Deshalb ist Sicherheit das Um und Auf bei den Kursen. „Was wir machen, ist ja alles relativ harmlos. Wir springen keine meterhohen Drops und schmeißen uns nicht über große Steine“, erklärt Heini. Das Übungsgelände bei den OD Trails sei einfach perfekt, so etwas Tolles gebe es weit und breit nicht. „Man muss nicht zuerst mit dem Lift irgendwo hinauffahren und viel Geld für die Bahn ausgeben, sondern startet mit dem speziellen Bike-Lift vergleichsweise kostengünstig vom Tal aus. Und dann ist für alle Ansprüche – vom Einsteiger bis zum Fortgeschrittenen – etwas geboten.“ Für Heini sind die OD Trails „das schönste Trainingsgelände der Welt, ein echtes Kleinod für Bikerinnen und Biker.“ Die „Green Line“ ist wirklich „easy-peasy“, wie er sagt, also kinderleicht zu bewältigen. Dann kann man sich bis zur „Red Line“ steigern, „aber die fahre ich mit meinen Leuten meist gar nicht.“ Nur nicht übertreiben! Die Lines sind genial angelegt, separat gibt es auch Sprünge in den verschiedenen Schwierigkeitsgraden für besonders Mutige. Man kann sie also springen, muss aber nicht. Auch ein Steilhang und Stufen sind da – für die, denen das Adrenalin den nötigen Kick versetzt. Wer nicht will, der muss nicht. Jene, die bei den OD Trails auf den Geschmack kommen und sagen, sie brauchen mehr, nimmt Heini mit auf den Harschbichl-Trail der Bergbahn St. Johann. „Das langt dann aber allen!“

Heinrich Kürzeder - Trail-Biken Generation 50 plus
Heinrich Kürzeder - Trail-Biken Generation 50 plus
Heinrich Kürzeder - Trail-Biken Generation 50 plus

Mit dem Tiefeinsteiger hoch hinaus

Schon etwas früher zog jener Kursteilnehmer die Reißleine, der eines Tages mit einem Tiefeinsteiger-Bike beim Treffpunkt auftauchte. Er hatte zuvor am Telefon Heinis Fragen zu seinem Fahrrad nicht beantworten und ihm nicht sagen können, ob sein Bike denn mit Stollenreifen ausgestattet sei, ob es „ein Fully“ sei und über eine Federung verfüge. Als Heini das „Opa-Bike“ zu Gesicht bekam, wusste er, warum das so war. Auf dem Gepäcksträger des Bikes war ein großer Kasten montiert. Heini riet dem Teilnehmer, jenen wenigstens im Auto zu lassen, aber das kam für ihn nicht in Frage. Im Kasten befand sich Werkzeug, Regenbekleidung, zwei Flaschen Wasser und mehr – auf nichts davon wollte der angehende Trail-Biker verzichten. „Er war ausgerüstet wie für eine Alpenüberquerung“, erinnert sich Heini lachend. Dennoch absolvierte sein Schützling höchst motiviert das Training auf dem Parkplatz, nahm den Lift und fuhr ein paar Mal ganz tapfer die „Green Line“. Mehr ging mit dem Rad wirklich nicht. Als sich alle Teilnehmer:innen zum Schluss des Kurses wieder trafen, rief Heini auch dem Tiefeinsteiger-Fahrer zu, er solle sich zu ihnen gesellen. Jener reagierte jedoch nicht und fuhr unbeirrbar weiter. Heini erfuhr später, dass er während der Abfahrt sein Hörgerät verloren hatte. Das störte ihn an jenem Tag aber nicht, er war glücklich, konzentriert und nicht zu stoppen.

Aus Angst wird Freude

Bevor es – am besten mit einem einigermaßen sportlichen Bike – auf den Trail geht, steht aber Grundlagentraining auf einem geschotterten Parkplatz auf dem Programm. Die richtige Sitzposition finden, das Rad beherrschen, auf Schotter bremsen, kleine Rampen bewältigen – erst wenn das sitzt, geht es mit dem Lift bergauf. Bergab geht es dann gemeinsam und zuerst ganz vorsichtig, man bespricht schwierigere Stellen und tastet sich langsam an die Schlüsselstellen heran. Wer sich sicher fühlt, besucht den Fortgeschrittenenkurs.

Der Erfolg gibt Heini recht, seine 50 plus Biker:innen sind in der Regel begeistert davon, wie schnell die Sicherheit kommt und sich ihre Angst in Freude verwandelt. „Es geht auch darum, dass man mal aus seiner Komfortzone herauskommt. Man will in diesem Alter nicht immer nur auf die Enkelkinder aufpassen oder irgendwo in der Sonne liegen, sondern etwas Neues probieren“, weiß Heini aus seinen Kursen. Wie lange ist es her, dass ihr etwas zum ersten Mal gemacht habt? Zu lange? Auch heuer bietet Heini wieder seine Kurse an. Nichts geht über das Gefühl, sich überwunden und eine Herausforderung gemeistert zu haben. Alle Infos auf www.OD-trails.com

Text: Doris Martinz
Fotos: Privat

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