D'Fieberbrunner Holzschuhdirndln
... von g'nagelten Holzschuhen, Alm-Miedern und Melkschemeln, bis zu einer rasanten Motorradbraut bei Tina Turner.
10. Juni 1979: in Pfaffenschwendt steigen einige Mädels und Frauen stolz, freudig, aber auch nervös in einen Bus. Auffällig ihre bäuerliche Bekleidung, die eher an den Beginn des 19. Jahrhunderts erinnert. Das Rätsel löst sich, als kurz drauf beim großen Festzug der Fieberbrunner Markterhebung erstmals 24 „Fieberbrunner Holzschuhdirndln“ aufmarschieren. Einige Hände tragen alte Arbeitsgeräte, andere sind lässig an der Hüfte, und so weht mit den Schürzen auch ein Hauch Tiroler Haute-Couture im Pillerseetal. Zuseher fotografieren und applaudieren. Dabei geht’s den feschen Damen gar nicht drum, sich mal wie ein Karl-Lagerfeld-Model am Laufsteg zu fühlen, vielmehr wollen sie Gästen und vor allem auch jungen Einheimischen Bräuche und Trachten der fleißigen Vorfahren in Erinnerung bringen.
D'Fieberbrunner Holzschuhdirndln
Gaizerl, Miaderl, Hosen und Blusen
Das erzählen mir im „Hotel Alte Post“ Holzschuhdirndl-Obfrau Anni Kogler und ihre Kolleginnen Kathi Perwein und Margit Maislinger. Damals regte der Bürgermeister an, für den Festzug etwas mit alten Holzschuhen zu machen. So lässt die Pfaffenschwendterin Loisi Foidl nach alten Fotos früherer Holzschuh-Weiberleit’ mit Hilfe von Lena Gollner und Holzschuhmacher Christa Eisbichl die einstige, bäuerliche Arbeitskleidung nachfertigen. Mägde trugen bunte Blusen, kurze Hosen, lange Baumwollschürzen, Sennerinnen bunte Mieder, Bluserl, kurze Hosen, Leinenschürzen, Bäuerinnen schwarze Mieder, weiße Blusen, schwarze, lange Röcke, Baumwollschürzen. „Lustig sein und Tanzen“
Alle hatten ein „Gaizerl“, einen schön bestickten Hut als Sonnenschutz, „Stizei“ – Strümpfe, nur vom Knöchl bis unters Knie –, sowie eben genagelte Holzschuhe, in die man barfuß schlüpfte. Nach der gelungenen Premiere ’79 erhält die Brauchtumsgruppe weitere Einladungen, etwa zum Bezirksschützenfest nach Saalfelden. 1980 lädt Loisi Foidl unter dem Motto „Lustig sein und tanzen!“ zum „1. Holzschuhdirndl-Fest“. Eintritt: 20 Schilling, der Erlös wird erstmals gespendet, beachtliche 10.000 Schilling an die Lebenshilfe Oberndorf.
Acht Dirndln in der Militärkaserne
Die bisher weiteste Reise führt acht der Dirndln 1991 nach Eutin, nahe der Nordsee, wo sie mit Musikanten, Schuhplattlern und Krapfenköchinnen Tiroler Brauchtum präsentieren.
„Wir voller Erwartung, dass wir schön einquartiert und guat verköstigt werden“, erzählt Anni. Doch dann erfahren sie, dass der TVB-Obmann sich nicht traute, seiner Gattin, Holzschuhdirndl-Gründerin Loisi, was zu beichten: „Wir schlafen alle in der Kaserne!“ Entsetzen! „Mei Bub is damals mustern g’wesen“, so Anni, „Und die Mam ruckt in die Kasern ein!“ – samt Ausgangsschein bis 22 Uhr. „Da sind wir um zehn hin und danach wieder aus‘büxt“. Wohl auch weil die militante Nobelherberge den Geschmack der Damen nicht wirklich trifft, mit Stockbetten, den für Trachtenkleider untauglichen Spinten und der Gemeinschaftsdusche für zehn Leute. Auch die Verköstigung aus Blechhaferln ist nicht Hauben-würdig, erinnert sich Margit. „Aber wir haben dann eh durchg’macht!“, und so war es insgesamt doch sehr lustig.
Als Loisi stirbt, führt Steffi Foidl ihre Idee weiter, und 2008 belebt Anni auf Anraten des Heimatvereins, das schöne Brauchtum wieder, mit dem „1. Hoamfahrer-Festl“ beim Almabtrieb. Da bieten die „Holzschuhdirndln Reloaded“ auf ihren Ständen Butter, Käse und „Almnüssei“, die es früher beim Kühe-Almabfahren gab. Auf ihrem kleinen Handwerkmarkt wird etwa gezeigt, wie eine Sense gedengelt oder Wolle gesponnen wird. „Einmal sind wir mit den auf‘büschten Kühen mit‘gangen“, erzählt Kathi, „Aber die sind so g‘sprungen, dass wir in die Holzschuach kaum nachkommen sind“. Doch das Durchhalten lohnt sich, denn bei einem Bauern gibt’s ein Festl, „Und wir sind a diam recht ausheitlerne Weiberleit“, heißt: wenn’s lustig zugeht, halten sie gern lang aus. Wobei der Brauchtumsgruppe „das Ausrucken immer eine Ehre ist“.
Bei Greti am Jaggler-Hof
Damit wir den einstigen Bräuchen, Gewändern und Arbeitsgeräten noch mehr Leben einhauchen, bringen mich die drei Dirndln zu ihrer Kollegin „Jaggl Greti“, die als Kind am „Koida-Bergbauernhof“ aufwuchs und heute Bäuerin am „Jaggler-Hof“ist. Als sie erfährt, dass sie uns was aus ihrem Leben erzählen soll, meint sie: „Beichten tua i aber nur einmal im Jahr“. Da hat die Frau mit den warmherzigen Augen und den gesund-roten Wangen gleich die Lacher auf ihrer Seite. Und wir einen Obstler vor uns. „A Schnapsei is immer noch Brauch g’wesen bei mir!“. Ein schöner Brauch! Und schon geht‘s los mit der Zeitreise, die sich auch Gretis Mann „Thomal“ anhören will. „I bin von einem ganz kleinen Bauernörtl hinterst im Graben drin“, erzählt Greti. Als sie dort Ende der 50iger als jüngstes von fünf Geschwistern das Licht der Welt erblickt, ist dies kein elektrisches, denn das gibt’s am Hof noch gar nicht!
„Manchmal sind wir recht ausheitler“
Holzschuhe erblickt Klein-Greti an den Füßen ihrer Eltern, die sie im Stall und im Freien tragen. Die Kinder brauchen im Sommer oft gar keine Schuhe, dürfen in Monaten ohne „r“barfuß gehen. Als ihre Mutter jung war, wurde noch das Gewand getragen, das die Holzschuhdirndln präsentieren. Auf „Koida“ hat man oft ein „Wasch-Dirndl“ an, „Und wir ham a ‚Kraxenschürzei‘ g‘habt. Im Winter warme Strumpfhosen“, oder die ebenso von Mami selbstgestrickten Socken und Handschuhe zum grünen „Sturm-Mäntelchen“. Greti bekommt alles quasi aus dem Second-Hand-Shop der älteren Schwestern, nachdem die drausgewachsen sind. „Des hab i dann aufz’rissen. Aber wir sind immer sauber und ordentlich daherkommen“.
Selbstversorger mit bis zu 10 Stück Vieh
So gut wie alle Arbeiten werden händisch erledigt, und ein Utensil, das die Holzschuhdirndln tragen, ist der Melkschemel. „Wir hab’n noch mit der Hand g’molchen“, erzählt Greti, „und mit dem Schemel hast du dich zur Kuah hing‘hockt“. Die Kleine liebt die Tiere! „I bin immer dem Vater nach und hab mit ihm Stallarbeit g’macht“. Sie haben 5 Kühe und einige Jungtiere. Davon leben sie als Selbstversorger. Die Milch verarbeiten sie selbst. Im Rührkübel wird sie entrahmt, zweimal die Woche, „Mhm, der frische Butter war guat!“ In den „Stoz“, eine Holzschüssel, „is der Rahm einitu word’n“, so Greti. Die „Riffl“ zum Beeren sammeln wird heute noch verwendet. „Geht’s um a Moosbeer“, sagt Mami oft, und dann gibt’s Mittags ein köstliches Mus. „In der Eisenpfanne hat sie das Koch am Tisch eing’stellt und jeder hat mit seinem Löffel aussa’gessen“. Nur das absolut Nötigste, wie Mehl und Zucker, wird zugekauft, alles andere haben sie am Hof, Obst und Gemüse im Garten. Die Hennen legen Eier. Fleisch oder Speck gibt es selten, nur jenes von zwei Schweinen, die vor Weihnachten geschlachtet werden. „Aber uns is nie was ab’gangen, wir hab’n immer gut zu Essen g’habt“.
Eine Stunde zu Fuß ins Dorf
Überhaupt darf Greti eine sehr glückliche Kindheit erleben. „Nur, was es im Dorf alles geben hat, da waren wir scho a bissl hinten. Aber der Vater hat das Geld nit g’habt“. Und erst als Greti 1965 in der Schule eingeschrieben wird, „da bin i ’s erste Mal aufs Land kommen“, sprich nach Fieberbrunn. Mit 6 Jahren! Unvergesslich ihr erster Schultag: „Da is mir richtig der ,Reis‘ gangen“, so nervös! Je näher sie mit den Geschwistern der Schule kommt, „umso mehr hat’s im Magen g’stochen“. Zum Glück hat sie eine sehr nette Lehrerin und Mitschüler. So löst sich die Angst, und mit der Zeit gewöhnt sie sich an alles zu Beginn noch erdrückend Neue. „Is alles neu g’wesen, oafach a Wahnsinn!“
„Zum Schuleinschreiben bin ich ’s erste Mal aufs Land!“
Der Schulmarsch dauert eine Stunde, bei Wind und Wetter. Im Winter muss der Vater oft voraus, bis zum nächsten Bauern einen Weg freischaufeln. Einmal sind sie gar drei Tage lang völlig eingeschneit. An Sonntagen geht’s per pedes auch in die Kirche. „Wir waren ja streng g‘läubig“. Zur Rorate, um 5 Uhr früh raus aus den Federn. „Aber wir haben‘s gern getan!“ Auf eine Hof-Zufahrt müssen sie bis in die 70iger warten. Konnte der Vater mal etwas Geld ansparen, sagt er: „Jetzt kimmt des und des dru“.
D'Fieberbrunner Holzschuhdirndln
Strom und elektrisches Licht kommt erst 1970
Etwa die Erneuerung des Kuchl-Bodens. Doch als ein Freund zur Hilfe mit einer kleinen, elektrischen Stichsäge anrückt, sucht er vergeblich nach einer Steckdose. „Bei die „Koid“ hab’n s’ immer no keinen Strom“, war im Dorf dann großes Thema. Der Strom für elektrisches Licht kommt erst 1970 an den Hof! Der späte Zukauf überrascht auch die Holzschuhdirndln. „War ganz komisch, wie der Vater eine Lichtbirne einig’schraubt hat.“ Es ist ihnen erst viel zu hell, weil sie zuvor ja nur Petroleumlampen hatten. Natürlich gibt es auch noch keinen Fernseher oder Radio, „Aber wir hab‘n nicht dran gedacht, dass wir des haben müssten“, meint Greti. Und weil es im Talkessel ohnehin keinen Empfang gibt, sagt Vater: „Bin i froh, dass der Saukasten nit geht bei uns herin!“ Als die Kinder von der Schule heimkommen, fertigt Vati oft beim Ofen Späne zum Heizen. Und Mutti spinnt am Spinnrad Wolle. Abends sitzen alle zusammen und spielen etwas, „Mensch ärgere dich nicht“ – aber aufregen tun sie sich auf „Koida“ ohnehin selten, weil sie dort so schön einfach leben.
„Kinder sollen die Eltern arbeiten sehen!“
„Viel zu arbeiten war immer“ sagt Greti, „Und des war guat so!“ Mutter sagte oft: „Die Kinder sollen die Eltern arbeiten sehen, dann wird was aus ihnen“. Holz schneiden die Oldies im Wald mit der Handsäge, ziehen es im Winterschnee mit dem Schlitten zum Haus. Im Sommer mähen sie die steilen Hänge oft schon ab vier Uhr früh mit der Sense. Als Greti und ihre Schwester aufwachen, stecken für sie schon zwei kleine Gabeln im Heuhaufen. „Wir habn u‘warmer müssen“, sprich das in Zeilen aufbereitete Gras auseinanderfischen bzw. wenden, damit es trocknen kann. Bei der Heuarbeit ist ein „Emper“ im Einsatz, ein Holzgefäß, das Kathi gern bei den Holzschuhdirndln zeigt. „Damit hat ma Wasser getragen, weil beim Heuen is ma durstig g’worden“.
Fällt das Barometer, ruft Vater: „Es kimmt a Sauwetter, wir müssen die Mandln machen!“ – „Heu-Mandeln“, zugeschnittene Baumwipfel-Stämme, an deren Ästen das Gras trocknen kann.
Als Greti heranwächst, beginnen sie auch andere „Mandln“ zu interessieren, echte! Mit 19 arbeitet sie im Wirtshaus „Großlehen“ in der Küche. Hier lernt sie den Jungbauern Thomal näher kennen, mit Schmetterlingen im Bauch, und so fort. „Einen ewig lang an der Nase herumziehen“, das mochte Greti nie. „Wenn, dann einer, den i heirate und mit dem i leb“. Und mit dem Thomas passt das. Bei ihm kann sie Bäuerin werden. „Tiere und Landwirtschaft sind oafach mein Leben“. Nebenbei zieht Greti ihre zwei Töchter und einen Sohn auf, der den Hof mittlerweile übernommen hat
Mit 50 starten Frauen oft was Wildes
Als Greti zu den Holzschuhdirndln gelockt wird, probiert sie das historische Gewand einer Bäuerin an: schwarzes Mieder, Bluse und Rock. Da meint ihr Mann: „Des steht dir guat! Da darfst mittun!“ Und das ist nicht alles, was sie noch „anreißen“ will. Schon als Jugendliche träumte sie davon, Motorradl zu fahren, es war aber kein Geld da. Schließlich raten ihr die eigenen Töchter: „Wenn du das so willst, kauf dir halt a Motorradl“. Mit 50 starten Frauen oft was Neues, „Was Wildes!“, fügt sie hinzu. So absolviert die Bäuerin die Prüfung, kauft sich eine 125iger-Maschine, und mit der düst sie gern auf Bergstraßen, zum Achensee oder in die Eng. Der Wildheiten nicht genug, ist die Motorradbraut in der Lederkluft auch noch glühender Tina-Turner-Fan, schon seit sie 17, 18 ist. Und zu ihrem 50iger überraschen ihre Kinder sie mit Tickets für Tina‘s Wien-Auftritt. Mit ihrer Freundin, Bäuerin Anni sitzt sie bald im Zug nach Wien und flippt im Konzert der Rockröhre mit. „Einmalig, die Turner, mit 70 noch so eine Power haben!“
Neue, junge Holzschuhdirndln wären bärig
Power haben auch die Holzschuhdirndln, mit denen Greti erstmals zum Zillertaler Gauder-Fest ausrückt. Im September ging es bereits zum sechste Mal zum Handwerksmarkt nach Seefeld. „Wenn wir ausrucken, freut sich jede, is immer nett“, sagt Margit.
Im Alltag üben die Damen unterschiedlichste Berufe aus. Sie sind jüngeren und älteren Semesters, und würden sich über weiteren, jungen Zuwachs freuen, damit ihr wertvolles Wirken und das Bewahren dieser schönen Tradition auch eine Zukunft hat. Wie’s damals war in unserem Land, Vieles davon geht nach und nach verloren. Doch wir können von den alten Lebensarten und Bräuchen auch lernen und inspiriert werden, so wie Greti’s Erinnerungen auch ihre Kolleginnen befruchtet haben.
Ein Fixpunkt im Kalender ist auch immer das Almfest der Fieberbrunner Holzschuhdirndl'n. Heuer findet dies am Samstag, 15. September ab 10 Uhr am Parkplatz bei der Hauptstrasse hinter dem Kaufhaus Reiter in Fieberbrunn statt. A Jausn, ebas zum Trinkn sowie Kaffee und Kuchen gibt's a. Auf euer Kommen freuen sich die Fieberbrunn Holzschuhdirndl. Bei Schlechtwetter findet die Veranstaltung am 22.9.18 statt.
Text: Eduard Ehrlich Foto's: Kerstin Joensson
Elke Unterrainer
Antworten
Super, wenn Tradition "gelebt" wird...