Hüter der Obstbäume

Als Baumwärter gibt Stefan Wörter über Hunderte Jahre altes Wissen weiter. Im PillerseeTal findet man mit der „Eiglsbacher Birne“ eine Obstbaum-Rarität.

Man könnte Stefan Wörter auch als Baumdoktor bezeichnen, denn akribisch wie ein Arzt geht er vor, wenn seinen fruchtigen Patienten etwas fehlt. Als einer von zehn ausgebildeten Baumwärtern des Obst- und Gartenbauvereins Pillerseetal, ist es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Obstbäume in der Region gesund bleiben. „Als Baumwärter muss man ein Gespür für die Natur und ihre Kreisläufe haben“, veranschaulicht der Nuaracher. Die Fragen und Probleme, die an die Baumwärter im Laufe der Jahreszeiten herangetragen werden, sind vielfältig. „Besonders der richtige Schnitt zum passenden Zeitpunkt ist für die Qualität der Früchte und das Wachstum eines Baumes ausschlaggebend“, erklärt Stefan. Zwei Jahre Ausbildung braucht es, bis man sich Baumwärter nennen darf. Die geschulten Hüter der Bäume geben hunderte Jahre altes Wissen von Generation zu Generation weiter. „Gift kommt bei uns keines zum Einsatz. Die Natur hält für den Pflanzenschutz alles bereit“, betont der Baumspezialist.

„Meine Lieblingsjahreszeit im PillerseeTal ist der Sommer. Alles ist grün, wächst und gedeiht.“ - Baumwärter Stefan Wörter

Stefan Wörter, der gewissenhafte Baumwärter, inspiziert die reifen Äpfel im Garten, ein Symbol seines Engagements für die Bewahrung alter Obstsorten.© Johanna Monitzer

Stefan Wörter, der gewissenhafte Baumwärter, inspiziert die reifen Äpfel im Garten, ein Symbol seines Engagements für die Bewahrung alter Obstsorten.

Eine Birne, die nur hier wächst

Es sind wohl mehr als hundert Bäume, die Stefan Wörter pro Jahr im PillerseeTal begutachtet, schneidet und veredelt. Auch in seinem privaten großzügigen Gartenparadies in St. Ulrich am Pillersee wächst und gedeiht es in allen Ecken. Alte Obstsorten aus dem 17. und 18. Jahrhundert haben es ihm besonders angetan. So wie etwa die „Eiglsbacher Birne“, eine einzigartige Frucht, die man hauptsächlich im PillerseeTal findet. „Seit wie vielen hundert Jahren es diese Birnenbäume schon gibt, lässt sich nicht mehr herausfinden. Nach dem Ersten Weltkrieg, wo der Hunger groß war, wurden zahlreiche Obstbäume gepflanzt“, erzählt Stefan. Mit dem Wirtschaftsaufschwung in den Fünfzigerjahren verschwanden die alten Birnenbäume zusehends aus den Gärten und von den Feldern. Seit geraumer Zeit erleben die kleinen, robusten Birnen im PillerseeTal aber ein Revival – auch dank der Baumwärter des Obst- und Gartenbauvereins.

Stefan Wörter präsentiert stolz die Ernte der „Eiglsbacher Birne“, ein seltenes Erbe des PillerseeTals, das sich auch für edlen Schnaps eignet.© Obst- und Gartenbauverein Pillerseetal

Stefan Wörter präsentiert stolz die Ernte der „Eiglsbacher Birne“, ein seltenes Erbe des PillerseeTals, das sich auch für edlen Schnaps eignet.

Klein, aber oho

Die „Eiglsbacher Birne“ ist eine kleinwüchsige Mostbirne, die auf riesengroßen Bäumen wächst. „Den größten Baum hatten wir bis vor Kurzem im Ortsteil Flecken in St. Ulrich am Pillersee. Der war über 30 Meter groß und trug über 1.000 Kilo Birnen“, schildert Stefan Wörter. Die Birnen eignen sich hervorragend als Zutat für das traditionelle Kletzenbrot (Früchtebrot), das vor allem um die Weihnachtszeit sehr beliebt ist. Außerdem sind die „Eiglsbacher“ die besten Schnapsbirnen weit und breit, schwärmt der PillerseeTaler: „Mit ihrer Süße und dem hohen Zuckeranteil brennt man einen Schnaps, der seinesgleichen sucht.“ Die Schnapsbrenner der Region haben die alte Birnensorte seit geraumer Zeit wiederendeckt und kreieren damit die edelsten Tropfen. Aber damit nicht genug: Die Birnen liefern auch einen herrlichen Saft. Bei der größten Sortenausstellung Österreichs in Linz wurde der „Eiglsbacher Birnenbaum“ vor einiger Zeit von den Kulturpflanzen-Experten der Arche Noah offiziell zertifiziert und als PillerseeTaler Rarität bestätigt.

„Ein guter Sommer ist nicht zu trocken, jeder Gärtner freut sich auch einmal über einen Regentag.“ - Baumwärter Stefan Wörter

blog-baumwarter-schnapsbrennen-birnen© Obst- und Gartenbauverein Pillerseetal

Vorbereitung für das Destillieren: Die wertvollen „Eiglsbacher Birnen“ werden gewaschen, um bald zu edlem Schnaps verarbeitet zu werden.

300 verschiedene Apfelsorten

Neben den „Eiglsbacher Birnen“ hat das PillerseeTal aber noch viele andere Früchte zu bieten. Mehr als 6.000 Obstbäume gibt es in Fieberbrunn, St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee, Waidring und Hochfilzen. Am stärksten verbreitet sind Apfelbäume. Sage und schreibe mehr als 300 verschiedene Apfelsorten listet der Obst- und Gartenbauverein im Gebiet von St. Johann bis nach Leogang in seiner Statistik auf. Die gesunde Frucht ist auch das Lieblingsobst von Baumwärter Stefan Wörter. Er selbst hat viele verschiedene Apfelbäume in seinem Garten stehen. Welche Sorte ihm persönlich am besten schmeckt, darauf möchte er sich nicht festlegen: „Es ist jedes Jahr eine andere.“ Der Ertrag von den PillerseeTaler Apfelbäumen wird vorwiegend zu Saft verarbeitet. Wobei nach einem guten Sommer schon mal bis zu 40.000 Liter Apfelsaft durch die Obstpressanlage des Obst- und Gartenbauvereins fließen. „Unser Apfelsaft ist das reinste Naturprodukt und kommt gänzlich ohne Zusatzstoffe aus. Der Saft hält bei richtiger Lagerung bis zu zwei Jahre“, erklärt Stefan.

Der Obst- und Gartenbauverein PillerseeTal feiert sein Erbe mit einer farbenfrohen Ernteaustellung, die lokale Produkte und Gartenkunst würdigt.© Obst- und Gartenbauverein Pillerseetal

Der Obst- und Gartenbauverein PillerseeTal feiert sein Erbe mit einer farbenfrohen Ernteaustellung, die lokale Produkte und Gartenkunst würdigt.

Südfrüchten in den Bergen

Auch Pfirsiche und Marillen erntet man im PillerseeTal – wenn auch die empfindlichen Südfrüchte nur an den Hauswänden, wo es geschützt und sonnig ist, gedeihen. „Es gibt fast nichts, was im PillerseeTal nicht wächst“, schmunzelt der Experte. Nur an der Kultivierung von Edelkastanien beißt sich so mancher Gärtner aus der Region noch die Zähne aus. Stefan Wörter kennt lediglich einen einzigen Standort, wo auch Edelkastanien-Bäume bestens wachsen. Warum sie dort gut gedeihen und sonst nirgends, weiß er nicht.

„Die Natur ist eigenwillig und steckt voller Überraschungen“, sagt der Baumwärter. Vielleicht ist es dieses Verständnis für die Natur und ihre manchmal eigenwilligen Kreisläufe, die einen Baumwärter wie Stefan Wörter ausmachen. Durch das Engagement des Obst- und Gartenbauvereins wächst der Baumbestand im PillerseeTal stetig an und wird es weiter tun.

Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins PillerseeTal bei einer lehrreichen Exkursion, umringt von der natürlichen Pracht ihrer Region.© Obst- und Gartenbauverein Pillerseetal

Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins PillerseeTal bei einer lehrreichen Exkursion, umringt von der natürlichen Pracht ihrer Region.

Über 100 Jahre Obstkultur

Der Obst- und Gartenbauverein Pillerseetal wurde vor über 100 Jahren, am 6. März 1921, in Fieberbrunn gegründet.1951 wurde die erste Obstpresse gekauft. Der gemeinnützige Verein zählt über 400 Mitglieder. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Lebensraum im PillerseeTal zu erhalten und zu gestalten. Das Gesellschaftliche und das Gespräch über den Gartenzaun dürfen als fixe Bestandteile das Vereinslebens nicht fehlen.

Die Bauernregeln

Johanna

Johanna

Als langjährige Journalistin einer regionalen Wochenzeitung liebe ich es, gute Geschichten zu erzählen. Am liebsten schreibe ich über Dinge, die mir selbst Freude bereiten - wie über die Menschen und Ereignisse im schönen PillerseeTal. Als Tirolerin bin ich sehr naturverbunden, reise jedoch auch gerne in der Welt herum. Fest steht für mich eines: Es gibt keinen „bärigeren“ Ort als Tirol. Mehr Details

Alle Beiträge

Wir freuen uns über Deinen Kommentar

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. *Pflichtfelder

johann schauberger

Antworten

kleiner nachsatz .die birnen wurden auf gut tirolerisch immer nur oaglschpoacha genannt.hans

Teile es mit deinen Freunden

Finde weitere Geschichten zu folgenden Themen

    Share

    Diese Artikel könnten dich auch interessieren

    Keine neue Geschichte mehr verpassen?

    Damit du keine Story mehr verpasst, kannst du dich gerne hier im Newsletter-Formular von bärig.tirol eintragen.