Zeitreise ins Bichlach in Oberndorf in Tirol
"Wer sich im Bichlach nicht verirrt, der ist kein Christ!"
Das war der Satz, den meine Oma mir jedes Mal mit auf den Weg gab, wenn es wieder zum „Moosbee prockn“ (Deutsch: Heidelbeeren pflücken) ins Bichlach nach Oberndorf ging. Warum meine Oma mir allerdings mit diesem Sprichwort Respekt bzw. Angst einflößen wollte, das war mir als Kind noch nicht bewusst – ebenso wenig, wie die umfangreiche Geschichte des Bichlachs.
Auf meiner Reise durch die Geschichte des Bichlachs fiel mir auf, dass Oberndorf generell ein sehr altes Dorf ist, welches bereits 1125 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Große Bedeutung erlangte Oberndorf – und somit auch das Bichlach und der Rerobichl - im 16. Jahrhundert, nach einer durchzechten Partynacht. Der kritische Leser stellt sich an dieser Stelle selbstverständlich die Frage, wie eine durchzechte Partynacht die Geschichte eines ganzen Dorfes beeinflussen konnte.
Hier kommt die Antwort: Nach einem Fest im benachbarten Going war Michael Rainer um 1540 mit 2 Freunden über den Rerobichl auf dem Heimweg nach Oberndorf. Auf der Höhe der heutigen Bergkapelle übermannte die Partytiger die Müdigkeit und sie machten eine Pause. Während des Zwischenstopps hatten alle 3 Freunde den gleichen Traum. Sie träumten von einem Baum mit goldenen Früchten und silbernen Blättern. Nachdem die 3 Freunde (vermutlich mit leichten Kopfschmerzen) auf dem weichen Moos im Bichlach aufwachten, fanden sie unter ihrer moosbedeckten Schlafstätte tatsächlich kostbares Fallerz.
Knapp ein Jahr später läutete dann der Bau des ersten Stollens, dem „Michael Fundschacht“, benannt nach Michael Rainer – den großangelegten Bergbau am Rerobichl ein. Besondere Beachtung fand der Bergbau am Rerobichl durch den „Heiliggeistschacht“, welcher mit 890 Metern der tiefste Schacht der Welt war (zumindest zur damaligen Zeit). Bedenkt man, dass alle Schächte damals händisch gegraben werden mussten und somit „Manpower“ gefragt war, scheint es umso spektakulärer, dass der Heiliggeistschacht in nur 55 Jahren gebaut werden konnte. In den gesamten 240 Jahren, in welchen der Bergbau in Oberndorf betrieben wurde, wurden mehrere hundert Tonnen Silber, sowie 20.000 Tonnen Kupfer am Rerobichl abgebaut – daraus ließen sich wohl einige Bäume mit goldenen Früchten und silbernen Blättern produzieren.
Fundsage
Jetzt aber wieder zurück zu meiner Oma und dem Grund ihrer Warnung. Neben Grubenbränden, Wassereinbrüchen und Grubengas war mitunter auch die Pest dafür verantwortlich, dass innerhalb von 26 Jahren über 700 Knappen am Rerobichl ihre letzte Ruhe fanden. Auch nach Einstellung des Bergbaus hieß es immer wieder, es wäre jemand in einen alten Stollen gefallen, oder wäre nicht mehr aus dem Bichlach bzw. vom Rerobichl zurückgekommen. Ob das wahr ist oder nicht, ist eine andere Geschichte. Meine Oma zumindest war davon überzeugt, dass eine Warnung angemessen wäre – wenn auch meist mit einem kleinen Zwinkern.
Heute sind das Bichlach und der Rerobichl einfach eine wunderbare Oase der Stille in einer hektischen Welt. Unzählige kleine Wege und Pfade schlängeln sich durch die hügelige Landschaft in Oberndorf und versetzen den Wanderer oder Spaziergänger in eine ganz eigene Welt, die losgelöst von der Zeit wirkt und es einem leicht macht sich zu entspannen und zur Ruhe zu finden.
Besonders Wissbegierige können auch auf dem Bergwerkslehrpfad, welcher am Rerobichl installiert wurde, noch mehr über den Bergbau in Oberndorf, sowie das harte Leben der Knappen im Bichlach erfahren. Und wer weiß ... eventuell lohnt es sich auch im weichen Moos des Waldes ein Schläfchen zu wagen. Immerhin könnte auch euch im Traum der wunderschön glänzende Baum mit den goldenen Früchten und den silbernen Blättern erscheinen, welcher ankündet, dass großer Reichtum auf euch wartet, wenn ihr nur die Augen offenhaltet.
Weitere Infos
Geschichten über Geschehnisse, Erlebnisse und das Leben in unserer wunderschönen Region zu schreiben bereitet mir große Freude. Mehr Details