Bittgang nach St. Adolari
Brauchtum neu beleben
Viele Traditionen geraten im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Allerdings gibt es zum Glück
einige Menschen, die sich mit großer Hingabe dafür einsetzen, Brauchtümer neu zu beleben
und sie in unsere moderne Welt zu integrieren. Auch der berühmte "Adolari Bittgang" im PillerseeTal wurde vor rund 24 Jahren wieder zum Leben erweckt. Wie es dazu kam und was hinter der jahrhundertealten Tradition steckt, verraten wir euch im folgenden Beitrag.
So kam es zur Wiederbelebung des Adolari-Bittganges
Zurück geht die Wiederbelebung des wertvollen Brauchtums auf den Heimatverein Pillersee rund um den ehemaligen Obmann Erich Rettenwander. Gleich nach der Gründung im Jahr 1999 widmet sich der Verein dem Adolari-Bittgang, welchen die Gläubigen der vier alten „Hofmarkgemeinden“ Fieberbrunn, St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee und Hochfilzen bereits Jahrhunderte zuvor schätzten, dessen Bedeutung jedoch im Laufe der Jahrzehnte leider verloren ging. Aber das Engagement hat sich gelohnt. 166 Jahre nach der ältesten bekannten Erwähnung setzte sich am 8. Mai 1999 erstmal wieder eine Pilgerschaft von 20 Leuten von Fieberbrunn aus auf den Weg, um den Bittgang nach St. Adolari in Angriff zu nehmen. Über die zur alten Hofmark Pillersee gehörenden Fluren und sternförmig aus den Orten Hochfilzen sowie St. Jakob in Haus hinzukommend, erreichte der Bittgang mit rund 200 Pilgernden St. Ulrich am Pillersee und letztendlich die Wallfahrtskirche St. Adolari, wo sich auch eine Gruppe aus Waidring dazugesellte.
Die Prozession heute
Eine Tradition wurde erfolgreich wiederbelebt. Seither wird der Bittgang immer an dem Samstag veranstaltet, der dem Adolaritag (8. Mai) am nächsten liegt. Heuer also am Samstag, den 6. Mai 2023.
Doch wofür wird denn eigentlich gebetet? Die pilgernden Leute bedanken sich bei Gott für die Gesundheit von Mensch und Tier und bitten, dass ihr Vieh auch weiterhin von Unheil verschont bleibt.
Einmal im Jahr pilgern Einheimische und Gäste in die historische Kirche St. Adolari.
Wachsender Pilgerzug
Der amtierende Obmann des Heimatvereines, Wolfgang Schwaiger, gibt uns einen kurzen Einblick in den aktuellen Ablauf: „Es freut uns, dass der Bittgang wieder so großen Anklang findet. Wir marschieren jedes Jahr um 6 Uhr morgens in Fieberbrunn bei der Pfarrkirche los, als erste Gemeinde der Prozession, weg. Es werden kurz die Glocken geläutet, bevor sich der Zug mit Ministranten und Vorbetern in Bewegung setzt. Am Weg entlang kommen immer mehr Leute hinzu. Wir haben bestimmte Anlaufstellen, besonders schöne Orte, an denen wir stehen bleiben und eine kurze Andacht und Lesungen halten. An manchen dieser Plätze werden wir sogar von Weisenbläsern erwartet, die für eine stimmungsvolle akustische Kulisse sorgen.“
Weisenbläser warten am Weg auf das Pilgervolk und sorgen für eine akustische Kulisse.
Quer durchs PillerseeTal nach St. Adolari
Wolfgang erzählt weiter: „In St. Jakob in Haus vor der Pfarrkirche treffen wir das erste Mal auf die zweite Gemeinde.Wir gehen gemeinsam weiter Richtung Bergbahn bzw. Warming, wo wir auf die Pilgernden von Hochfilzen treffen. Es gibt immer eine schöne Zeremonie zur Begrüßung, bei welcher beispielsweise auch die Kreuze zusammengehalten werden. Dann geht es geschlossen weiter nach St. Ulrich zur Pfarrkirche. Hier wird eine kurze Rast eingelegt und die Pfarrer schließen sich dem Bittgang an. Die Messe in St. Adolari wird jährlich von verschiedenen Chören festlich umrahmt. Im Anschluss sorgt der Wirt des Gasthauses Adolari für das leibliche Wohl. Ein schöner Ausklang des Bittganges.“
Je länger der Bittgang dauert, desto mehr Menschen stoßen dazu.
Die Geschichte von der Wallfahrtskirche St. Adolari in Tirol
1401 wurde die Wallfahrtskirche in St. Ulrich am Pillersee erstmals in Büchern erwähnt. Die Kirche ist dem Heiligen St. Adolar geweiht. Er ist der Schutzpatron des Viehs. Das Gotteshaus bildete damals schon das Ziel von vielen Bittgängern, die für das Wohl und die Gesundheit ihrer Tiere beteten. 1747 wurde ein neuer Hochaltar installiert. Die bestehende Statue des Patrons Adolar musste einer bekleideten Maria Loreto Statute mit Jesuskind weichen. Angezogene Figuren stellten damals und auch noch heute eine Rarität dar. Die Filialkirche St. Adolari gehörte viele Jahrhunderte zum bayerischen Bistum Chiemsee. Erst Ende des 18. Jahrhunderts, zur Zeit der Aufklärung, ging die Kirche in Privatbesitz über und wurde letztendlich sogar geschlossen. Am 8. Mai 1833 wurde zum ersten Mal wieder ein Gottesdienst in St. Adolari gehalten, nachdem die Filialkirche kurz zuvor mit dem Gotteshaus in St. Ulrich am Pillersee vereint wurde.
Die Kirche St. Adolari war schon vor Jahrhunderten das Ziel von vielen Bittgängern.
Eine Besonderheit in der historischen Kirche St. Adolari: Marienzyklus
Im Zuge der über Jahre anhaltenden Sanierungen wurde auch ein Fresko freigelegt, das als das bedeutendste erhaltene kunsthistorische Denkmal in der Hofmark Pillersee gilt: der größte gotische Marienzyklus in Nordtirol. Wie es Prälat Johannes Neuhardt in einem Kirchenführer beschreibt, zeigen die 35 Einzelbilder typologische Szenen aus dem Neuen und Alten Testament, dem Protoevangelium des Hl. Jakobus, dem Physiologus (frühchristliche Naturlehre) und dem erweiterten Marienleben. Laut schriftlichen Angaben von Neuhardt ist der Bilderzyklus nach 1471, wahrscheinlich 1475, entstanden.
Der größte gotische Marienzyklus Nordtirols ist in der Kirche St. Adolari zu bestaunen.
Wasser als Symbol für Reinheit und Erneuerung
Die Neugestaltung des Kirchenvorplatzes samt Brunnen war Teil eines weiteren Sanierungszyklus von 1996 bis 1999. Der Brunnen ist zentraler Bestandteil der Historie um Adolari. Man kam zur Auffassung, dass es sich um eine Stätte eines vorchristlichen Quellheiligtums handelte, bei dem später zur Beseitigung des heidnischen Aberglaubens eine christliche Kapelle errichtet wurde. Die starke Quelle des Wassers entspringt hinter der Kirche über einer Lehmlage. Einzigartig und mit Seltenheitswert ausgezeichnet ist sie deshalb, da es sich um ein rechtsdrehendes Wasser handelt. Am Brunnen steht eine Statue des Heiligen Adolar. Der finale Abschluss der Arbeiten konnte schließlich im September 1999 mit einer feierlichen Wiedereröffnung der sanierten Adolari Kirche und der Einweihung des Vorplatzes zelebriert werden.
Vor der Kirche steht die Statue des Heiligen Adolars.
Familienzusammenführung der besonderen Art
Der Nebel zieht über den Pillersee tiefer hinein ins Tal Richtung nördliche Seespitze nach St. Adolari. Der Wind pfeift. Es nieselt, wie es der April oft so will. Die Kälte des ausklingenden Winters ist noch zu spüren an diesem frühen, dämmrigen Morgen im PillerseeTal. Aus den Nebelschwaden empor ragt mystisch die Wallfahrtskirche des kleinen Weilers. Durch die bleiverglasten Fenster schimmert das Licht der Opferkerzen, welche die Pilger und Besucher von St. Adolari gerne für ihre Bitten anzünden. Sonst ist das Innere der Kirche so früh morgens nur schwach beleuchtet. In der Stille schreit ein ferner Waldkauz und ein paar Vögel fangen an zu zwitschern. Dann ist es wieder ruhig. Bis ein leises Knarzen die morgendliche Ruhe unterbricht. Ein Schatten huscht in die Kirche und gleich darauf wieder heraus. Unbemerkt verschwindet er rasch im angrenzenden Wald.
Zwei Stunden darauf klingelt bei der Polizei in Fieberbrunn das Telefon. Es ist etwas Unfassbares geschehen in St. Adolari. Nach dem Anruf bei der Inspektion dauert es nicht lange, bis zwei Einsatzkräfte vor Ort sind. Eine unbekannte Person hat das Jesus-Kindlein entführt. Ohne ihr Kind stand die Mutter Jesu nun einsam und verlassen, mit gefühlt sehr trauriger Miene, im Hochaltar. Wie vom Wind weggetragen fehlt jede Spur von der circa 70 Zentimeter großen, jahrhundertealten Figur … und das bis heute. Trotz internationaler Fahndung haben sich bisher keine Hinweise ergeben. Deshalb beschloss der Heimatverein Pillersee die Figur neu anfertigen zu lassen. Der renommierte Künstler Horst Mayr aus Hochfilzen nahm sich diesem außergewöhnlichen Auftrag an. Pünktlich zum neubelebten Adolar-Bittgang freute sich Maria Loreto, ihr Jesu-Kindlein (fast) originalgetreu wieder im Arm halten zu können.
Vor einiger Zeit wurde das Jesus-Kindlein aus der Kirche gestohlen. Es ist nie wiederaufgetaucht. Der Künstler Horst Mayr fertigte deshalb eine neue Figur an.
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