Zum Kraftschöpfen "eini in de Natur"

Lisi Osl als bodenständiges Naturkind wollte in ihrer Radsportkarriere immer hoch hinaus – mittlerweile lässt sie es ruhiger angehen und nimmt Wanderer mit auf ihre Entdeckungsreise durch die Heimat.

Elisabeth Osl, besser bekannt als Lisi Osl, ist kein unbeschriebenes Blatt – weder in ihrer Heimatgemeinde Kirchberg, und schon gar nicht in der MTB-Szene. Neben ihren Erfolgen als zweifache Olympionikin in Peking und London und mehrfache Staatsmeisterin, wurde sie 2009 bei der Gala „Sportler des Jahres“ als Drittplatzierte geehrt und im selben Jahr zu Österreichs „Radsportler des Jahres“ gewählt. Die Liste ihrer Top-Ergebnisse ist ganz schön lang. Hierzu genügt ein Blick auf ihren Wikipedia-Eintrag. In Kirchberg wurde ihr zu Ehren der erste Singletrail am Kirchberger Gaisberg sogar „Lisi-Osl-Trail“ benannt.

Aber welches ist Lisis persönliches sportliches Highlight? „Das war definitiv der Gesamt-Weltcupsieg 2009, und die drei Einzel-Weltcupsiege.“ Von Eitelkeit kann bei ihr aber wirklich keine Rede sein – und Arroganz ist ein Begriff, der sich mit Lisi absolut nie in Verbindung bringen lässt. Bezeichnenderweise weiß sie selbst nicht genau, wie oft sie schon Staatsmeisterin wurde! Da lacht sie nur und meint: „Es sind mehr als zehnmal, aber da müsste ich erst meine Medaillen aus der Schachtel holen und zählen.“

Geerdet und bodenständig

Ich persönlich kenne Lisi, das vierte von fünf Kindern der Familie Osl, bereits seit meiner Kindheit. Wir besuchten die gleiche Schule und bei so einer großen Familie, wie Lisi sie hat, gibt es unweigerlich mit dem einen oder anderen davon Berührungspunkte. Die Osls leben samt und sonders sehr zurückhaltend, drängen sich nie auf und führen ein beschauliches und geerdetes Leben. So ist mir auch Lisi seit jeher als bodenständiger und ruhiger Mensch in Erinnerung. Was sich bei mir besonders eingeprägt hat, ist, dass die Familie Osl nie einen Fernseher hatte. „Ich habe heute immer noch keinen“, bestätigt mir Lisi. Angesichts der alternativen Informationsquellen, derer man sich mittlerweile bedienen kann und des zumeist eher dürftigen Fernsehprogramms kein allzu großer Verlust, muss ich mittlerweile gestehen – als Kind hat mich diese Tatsache allerdings fasziniert.

Ein Lebensabschnitt neigt sich dem Ende zu

Lisi begann ihre MTB-Rennkarriere 2001 – und beendete sie 2021. Die Entscheidung ist leise in ihr gereift. Nach 20 Jahren im Radsport war sie nicht mehr zu 100 % dazu bereit, dem Rennsport alles unterzuordnen. Es waren kleine Schritte, die sie langsam aus ihrem Tunnel holten. Als sie zum Beispiel lieber ihre Bienenstöcke schleppte, anstatt die nötige Erholungsphase einzuhalten. Oder als sie ihre Trikottaschen während einer Trainingsfahrt mit Kräutern füllte, weil sie nicht widerstehen konnte – in dem Wissen, dass sie das eigentlich nicht sollte.

Bereits zuvor hat sie sich mit dem Gedanken abgefunden, dass Spitzenplatzierungen kaum mehr möglich sind, aber sie hat gerne weitergemacht. „Wenn man nicht mehr verbissen auf ein Top-Ergebnis hinarbeiten muss und ein tolles Rennen fährt in dem Bewusstsein, alles gegeben zu haben, fühlt es sich gut an und bringt mehr Zufriedenheit. Schließlich hat sie relativ spontan die Entscheidung getroffen, den Schlussstrich zu ziehen. „Als ich am Abend beim Weltcup in Lenzerheide schlafen gegangen bin, habe ich noch nicht gewusst, dass ich am Tag darauf meine Karriere beenden werde“, schmunzelt sie. Die Entscheidung hat sie aber nie bereut und ist auch sehr dankbar, dass sie – wie leider so manch andere – nie in ein schwarzes Loch gefallen ist.

Aufbruch zu Neuem

Nach dem Karriereende hat sie 2022 begonnen, in ihrem Elternhaus eigene vier Wände zu schaffen. Als Heeressportlerin nutzte sie die ihr angebotenen Möglichkeiten zur Berufsförderung und machte die Ausbildung zur diplomierten Sporternährungswissenschaftlerin und Ernährungs- & Gesundheitspädagogin sowie zur diplomierten Kräuterpädagogin. Als Rennfahrerin kennt sie die Probleme in Bezug auf die richtige Ernährung, die im Spitzensport weit verbreitet sind. Ihr aus Erfahrungen gewonnenes und erlerntes Wissen an Sportler und Nicht-Sportler weiterzugeben, erfüllt sie mit großer Zufriedenheit.

Zusätzlich dazu ist sie gerade dabei, ihre Bergwanderführerausbildung fertig zu machen und steht bereits in den Startlöchern für ihre Arbeit als Wanderführerin im Tourismusverband Brixental. So geerdet, wie Lisi ist, bringt sie sich auch in die Programmgestaltung mit ein. Ganz besonders am Herzen liegt ihr, die Wanderer Anteil an der Schönheit der Natur haben zu lassen, ihr Bewusstsein und die Achtsamkeit zu schärfen und ihnen zu vermitteln, dass es nicht viel braucht, um glücklich zu sein. Deshalb dreht sich bei einer der Wanderungen des Sommerprogramms auch alles um das herrliche Bergquellwasser, das am besten frisch aus der Quelle getrunken schmeckt. Bei einer anderen Wanderung werden Kräuter gesammelt und Lisi erklärt, was man aus dem aromatischen Glück, das man am Wegesrand findet, alles herstellen kann.

Zum Start in die bzw. Ausklang aus der Sommersaison können sich die Wanderer mit Lisi in die Bergsportwochen begeben: In der letzten Mai- bzw. der letzten Septemberwoche wartet ein abwechslungsreiches Spezialprogramm mit schönen Höhen- und Gipfelwanderungen, einer E-Bike-&-Hike-Tour und einer Bike-Panoramatour. Zum geselligen Abschluss treffen sich die Wanderer und Biker nach ihrer letzten Tour zur gemeinsamen Hüttengaudi mit Live-Musik. Lisi ist natürlich mit dabei. Zwar wird sie sicherlich nicht die letzte sein, die heimgeht, weil laute Feiern nicht wirklich das Ihre sind, doch mit ihrer besonnenen Art ist jede noch so kurze Begegnung mit ihr für jeden ein Gewinn.

Naturgenuss statt schlechtem Gewissen

Aber warum macht sie nun eigentlich geführte Wanderungen und kein Bike-Guiding? Das wäre doch angesichts ihrer zurückliegenden Profi-Karriere naheliegend. „Ich bin natürlich viel am Rad unterwegs und pushe mich nach wie vor auch gerne. Aber ich habe 20 Jahre lange damit mein Geld verdient. Das Radfahren ist nun alleine meins. Beim Wandern kann ich entschleunigen, ohne Pulsuhr und Druck, und die Natur genießen – ganz ohne schlechtes Gewissen.“ Und als Wanderführerin kann sie, die heimatverbundene Kirchbergerin, außerdem ihre so große Liebe zur Natur weitergeben.

Eine schöne Begebenheit, die sie zuletzt mit mir teilt, ist folgende: Einmal war sie am Kitzbüheler Horn unterwegs, um Wildkräuter für ihr Pesto zu sammeln. Als sie Wanderer, die meinten, sie hätte etwas verloren, darüber aufklärte und das strahlende Gesicht der Frau sah, der sie einen Stängel Bergthymian in die Hand drückte, da wusste sie: „Diese Freude mit anderen zu teilen – das ist es. Das sind Momente des Glücks, die bleiben.“

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Elisabeth

05.04.2023 - 08:00

"Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen." Ganz nach dem Zitat von Guy de Maupassant erlebe ich meine Heimat am liebsten mit und durch Menschen - ob als langjähriges Mitglied der Musikkapelle, bei der Arbeit oder mit meiner Familie. So bekommt jeder Tag ein wunderbar neues Gesicht! Mehr Details

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