Die drei Bäuerinnen
Barbara, Traudi und Babsi beliefern den Adventmarkt in St. Johann.
Sie sind „g’standene Weiberleut“, die wissen, wie der Hase (oder die Kuh) läuft.
Es geht auf Weihnachten zu, und in St. Johann verwandelt sich der freitägliche Bauernmarkt in den stimmungsvollen Adventmarkt. Brot, Käse, Joghurt, Topfen, Marmelade, Sirup, Liköre, Wachteleier und vieles mehr gibt es nach wie vor, aber jetzt kommen das duftende Klotzenbrot, das saftige Apfelbrot und andere weihnachtliche Genüsse dazu. Alles ganz frisch und garantiert aus der Region. Dafür stehen die Bauern, die den Markt beliefern. Eigentlich sind es ja Bäuerinnen, und mit drei von ihnen sitze ich nun in einer gemütlichen Runde am Küchentisch am Notheggen-Hof in St. Johann.
Die Hausherrin Barbara Aschaber hat auch noch Traudi Brüggl zu unserem Gespräch eingeladen und Babsi Zaß – auch die beiden beliefern wie einige weitere Bäuerinnen den Adventmarkt.
Babsi kommt als letzte. „Des is unser Küken, Babsi is für de Kasse zuständig“, klärt mich Barbara Aschaber auf. Babsi ist mit ihren 28 Jahren die jüngste in der Runde. „Küken“ passt gut zu ihr, denn sie hat sich daheim am Bichlbauer in Erpfendorf Wachteln zugelegt. Wieso ausgerechnet Wachteln und keine Hühner? „I håb immer g’sågt, wenn i einmal dahoam bin und Kinder håb, möcht’ i mir was aufbauen. Mei Mann håt g’sågt, dass er mit Hühnern keine Gaudi håt. Also hab’ i mir Wachteln besorgt.“ Heute hat Babsi im Winter bis zu 100 Wachteln im Stall und verkauft die Eier und Wachtelprodukte an Wirte, Allergiker und Private – unter anderem auch am Adventmarkt. „De Wachtel is a schneller Vogel,“ erklärt sie. Schon mit 6 Wochen legen die jungen Tiere Eier, nach einem Dreiviertel bis eineinhalb Jahren ist Schluss, aus. Ja, wie jetzt?, frage ich nach. „Da merk i, dass ein Ei fehlt, und zwei Wochen später liegt dann eine då und is hin“, sagt Babsi. Das relativ kurze Leben macht sie ihren schnellen Vögeln so schön wie möglich, der Stall ist ganz auf Wachtel-Bedürfnisse ausgerichtet.
Das Vieh geht vor
Die Tiere sollen es bei ihnen gut haben, da sind sich Babsi, Barbara und Traudi einig, egal ob Federvieh oder Kuh. „Is ja auf da Alm genauso“, sagt Barbara Aschaber. Viele Bauern würden gegen Herbst zu noch Futter auf die Alm bringen, damit die Kühe weiter die Spitzenleistung bringen. „Dabei ist’s doch gscheiter, sie rasten. Meistens sind’s tragend und dann iss guat, wenn‘s viel gehen, de brauchen Bewegung, des is wie bei uns Frauen.“ Und als sie erzählt, wie sich die Kühe im Gras wälzen, „sich drehen und wälzen“ vor Wohlbehagen, strahlt Barbara über das ganze Gesicht.
Traudi Brüggl, heute die „Dritte im Bunde“, ist Bäuerin am Sprenglhof am Kitzbüheler Horn und ebenso „viechernarrisch“. Sie berichtet, wie sie einmal zur Kur war und einem anderen Kurgast erzählt hat, dass sie sich auf ihre Diandla daheim freue. „Ja wie viele hast du denn?“, fragte der. „Zehn“, antwortete ihm Traudi arglos. „Was, du hast 10 Töchter?“ kam die Frage. Und Traudi musste aufklären: „Na, de Diandla sind doch meine Kühe.“ Die „Diandla“ stehen im Stall, sonst hat Traudi nur Männer im Haus: ihren Mann Hans und die beiden erwachsenen Buben.
„De Traudi is a ganz a Wilde“, raunt mir Barbara A. zu. Wie meint sie das? Barbara erzählt, dass Traudi daheim ihren Mann steht. Traudis „Manda“ gehen alle drei zur Arbeit, Traudi erledigt inzwischen so viel wie möglich. Dass der Hof nicht nur ihr, sondenr auch den Söhnen und ihrem Mann alles abverlangt – daran denkt man freilich nicht, wenn man den idyllisch gelegenen Hof mit Blick auf den Talboden sieht. Aber Traudis Hände sprechen Bände.
Früher hat sie das Brot für den Bauernmarkt und Adventmarkt gebacken. „Dann hab i unterm Backen einmal weg müssen, weil eine Kuh gekalbt hat, des is nimma gangen.“ So hat sie sich jetzt auf das Klotzenbrot und Apfelbrot spezialisiert. „I bin schon froh, dass mi nit ganz rausgeworfen håbn.“ Weibliche Verstärkung am Hof wäre Traudi schon recht, aber ihre Buben „tun einfach nit weiter.“ Mit Blick auf Küken Babsi meint sie, „Håst nicht noch a Schwester?“
Alles Einteilungssache
So eine fleißige, „takte“ Frau wie Babsi wünscht sich wohl jeder Bauer. Sie hat es beim Bichlbauer etwas leichter, obwohl auch sie natürlich mit ihren beiden Kleinen, die 2 und 3 Jahre alt sind, den Wachteln und dem Hof alle Hände voll zu tun hat. Aber sie hat sich ja immer einen Bauern zum Mann gewünscht. Die Oma sagte zwar: „Diandl, wenn’s das so enbildest, haut’s nit hin“, doch es klappte. „Siehst Oma, i håb’s gekriegt“, triumphierte Babsi deshalb an ihrem Hochzeitstag. Man lernt eben auch als Oma nie aus ...
„De Abrechnerei und Backerei“ für den Markt muss sich Babsi gut einteilen. Ohne Unterstützung ihres Mannes und der Schwiegereltern am Hof würde das nicht funktionieren. Aber es ist das Leben, das sie sich vorgestellt hat. Ihre Freundinnen können das oft nicht verstehen. Es is vielleicht einfacher, arbeiten zu gehen und die Arbeit in der Arbeit zu lassen als daheim am Hof nie einen Feierabend zu haben. Für Babsi aber gibt es nichts Schöneres, als bei den Kindern daheim zu bleiben und ihnen damit ein Stück Freiheit zu schenken, weil sie in der Früh nicht aus dem Haus müssen.
Dass viele junge Bäuerinnen lieber arbeiten gehen, hängt vielleicht damit zusammen, dass sie im Beruf mehr Anerkennung bekommen, mehr Selbstbestätigung. „Für uns, für unsere Generation wår’s bärig, wenn dahoam alles funktioniert håt. Wenn a Harmonie dåg’wesen is, wenn bei de Kinder alles gepasst håt. Und wenn då nit so a Stress is, dann geht des a mit dem Mann besser,“ weiß Barbara A. Und hat Simon, Barbaras Mann, das auch geschätzt? „I håb genug Selbstbewusstsein. Mia braucht des keiner sågn, des weiß i scho, dass des super is“, lacht sie.
Arbeiten im Team
Barbara und Simon sind ein gutes Gespann. „Mia braucht keiner was anschaffen, da herin bin i da Chef“, sagt sie ganz klar. Drei Buben hat sie großgezogen, sie sind jetzt 27, 23 und 17 Jahre alt. „Då gibt’s keine Diskussionen.“ Dafür vertraut sie ihrem Simon in allen betriebswirtschaftlichen Belangen voll und ganz. „Weil er då guat is. Bei der Arbeit, de er bringt, zum Beispiel des mit der Kompostierung, då mach i einfach mit.“
Auch „Küken“ Babsi ist mit ihrem Gidi rundum glücklich. „Am Anfang håb i Ångst gehabt vorm Dahoambleiben. Was is, wenn i den 24 Stunden um mich håb, håb i ma denkt. Und ihm ist’s gleich gegangen. Die Lösung is, über alles reden.“ „Ja, noch schon,“ sagt Traudi leise und grinst. „Psst“, macht Barbara und zwinkert Traudi zu. Die Jungen müssen es sich selber richten.
Traudi ist mit ihrem Hans auch schon seit vielen Jahren ein gutes Gespann. Jeder weiß, wo seine Zuständigkeiten liegen, wie der andere denkt. Von Liebe muss man nicht immer reden oder gar schreiben. Liebe ist auch, wenn man miteinander das Leben meistert.
Barbara tischt Kuchen und Kaffee auf. Der Nusskuchen ist herrlich locker und flaumig. „Des hängt mit’n Mond z’samm“, weiß Barbara. Die beiden anderen nicken zustimmend. Sie alle richten sich beim Backen und Arbeiten so weit es geht nach dem Mond. Für Barbara Aschaber war das aber mit den Naturzeichen nicht immer so selbstverständlich, sie musste in so manches erst hineinwachsen, es akzeptieren lernen. So war es auch mit der Kräuterweihe am 15. August. „I wår immer skeptisch, håb nit a so an Glauben dran gehabt und gsågt, mei, tu ich es halt auch ...“ Aber heute besteht Barbara auf das ganze Zeremoniell, rückt mit dem Kasettl aus, sucht sich für die Weihe mindestens 7 Kräuter zusammen und hängt das Büschel am Dachboden auf zum Schutz vor Blitz und Donner. Und in der Heiligen Nacht bekommt jedes Vieh ein wenig von den Kräutern. „Früher håb i ma schon denkt, mein Gott, des måchn ja nur die Hexen, und jetzt bin i selber so a Hex.“
Weihnachten am Bauernhof
Weihnachten feiert die „Hexe“ Barbara ganz traditionell. Am 24. Dezember wird in der Stube gebetet, Simon betet vor. Es gibt Würstelsuppe. „Alles håb i‘s scho g’måcht, Fondue, Raclette und den ganzen Zinober schon probiert, da muasst herrichten und herrichten und håst an Stress.“ Da der Stress Barbara ein wenig resch machte, ausgerechnet zu Weihnachten, war die Würstelsuppe bald wieder beschlossene Sache. Zum „Rach‘n“ und „Sprengetzen“ (Rauchen und Sprengen) geht Barbara alleine.
Beim „Küken“ läuft es anders, da sind die Kinder ja noch klein. Am Nachmittag gehen Gidi und Babsi mit den Kindern in den Stall zum „Rach‘n“, Beten und „Sprengetzen“. Eine ganze Horde ist es, der Schwiegervater voran mit dem Rauchkessel. „Wir håbn a mords Gelächter, weil wir immer an Bauern anspritze miassn“, erzählt Babsi lachend. Bis dann alles abgegangen ist, die Nachbarschaft inklusive, dauert es eine gute Stunde. Dann gibt’s die Suppe, den Adventkranz auf den Tisch, es wird gesungen und alle warten darauf, dass das Christkind läutet. Aha, und wer läutet? frage ich neugierig. „’s Christkind“, antwortet Babsi. Die Schwiegermutter? bohre ich nach. „Na, ’s Christkind, wir sitzen alle am Tisch.“ Die Nachbarn? „Na“, lacht sie und verrät: „I håb von der Stube rüber oder vom Gang a durchsichtige Schnur eingehängt, die reicht in die Küche, übers Kastl drüber und wenn i ziehe, dann läutet’s.“ Raffiniert!
Was beim „Sticksln“ herauskommt
Traudi fällt zu Weihnachten auch eine Geschichte ein. Sie hat sich vom Christkind einst ein Rad gewünscht und zugleich gewusst: Nein, eigentlich kann das Christkind kein Rad bringen mitten im Winter. Aber schneidig war sie und unheimlich neugierig, und „vor lauter Spekulieren und Schlüsselloch schaug‘n hab i då ’s Radl gesehen. Då is mir bewusst word‘n, dass i mi selber um meine Überraschung gebråcht håb. I werd‘ nia vergessen, mit dem Sticks’ln, wås då herauskommt.“ Jetzt mit den beiden großen Buben und ihrem Hans geht sie „rach‘n“, und dann gibt es auch bei ihr die obligatorische Würstelsuppe.
Traudi hat es im Leben nicht immer leicht gehabt. Früher war es mit der Schwiegermutter am Hof recht schwer, dann hatte einmal einer ihrer Buben einen gröberen Unfall, und sie selbst traf es auch: Sie stürzte vom Heuboden und erlitt schwere Verletzungen. Zum Glück ist alles gut ausgegangen. Würde Traudi, wenn sie ihr Leben noch einmal leben könnte, etwas anders machen? „Na, weil i mit Leib und Seele Bäuerin bin.“ Sie ist auch Blumenbinderin mit Leib und Seele. Der Umgang mit dem, was die Natur uns schenkt, erfüllt sie mit Zufriedenheit und Glück. „Wenn i so a Gesteck bind‘, kann i meine ganze Liebe zur Natur und Schöpfung einfließen låssn.“ Wenn sie eine freie Minute hat, sitzt sie auch einmal auf einem Bankerl und verbindet sich mit dem Wald, der Natur. „Und wenn i dånn a Schwammerl find, bin i a nit bös.“
Barbaras Projekt
„Es geht ins ja total guat, wir können uns die Arbeit einteilen“, sagt Barbara Aschaber dazu. Der Bauernmarkt war ihr Projekt, gibt sie zu, sie brauchte einfach wieder eine Herausforderung, als die Kinder groß waren. Simon ist viel unterwegs, auch mit dem Rad. Heuer hat er seiner Barbara auch ein Rad gekauft, damit sie gemeinsam fahren können. Eigentlich ist das eine schöne Liebeserklärung, sage ich. „Wirst doch nit so a Hex sein“, meint Traudi.
Barbara ist heuer zum ersten Mal Oma geworden. Aber sie fühlt sich gar nicht betroffen, wenn jemand Oma zu ihr sagt. „Då muass i noch hineinwachsen“, lächelt sie. Mit ihren Schwiegertöchtern hat sie ein sehr gutes Verhältnis. „An Mund zumachen, nit alles hören und nit alles sehen, dann kommst am besten durch“, rät sie. „Ma hat natürlich ganz a andere Einstellung, ma muss die Jungen einfach tun lassen.“
Und ich lasse die drei netten Weiberleut‘ auch wieder „tun“, überlasse sie wieder ihrem Tagewerk. Nett war es, mit ihnen zu plaudern, mit diesen Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, auf ihre Art ihr Glück gefunden haben und mit ihren guten, hochwertigen Produkten auch uns glücklich machen. Übrigens: Barbara, Babsi und Traudi verkaufen auch ab Hof und freuen sich, wenn nette Leute vorbeikommen.
TEXT: DORIS MARTINZ
FOTOS: JOHANNES KOGLER, MARKUS RUDOLF, PRIVAT
ERSCHEINUNGSDATUM: MAI 2015
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