Die Magie der Eiskristalle

Warum Benno Reitbauer mitten im Sommer mit dicker Jacke und Mütze herumläuft, und wie er sich seinen Traum wahr gemacht hat.

Alles fängt auf einer Reise nach Finnland an. Benno liegt in einer Art Eishöhle, warm in seinen Schlafsack gekuschelt. Sein Blick wandert an die Decke der Höhle und was er dort sieht, verändert sein Leben. Die Kerze flackert, ihr Licht bricht sich in den Eiskristallen über ihm. Tausende bunte Funken leuchten auf und tanzen über die Decke. Geheimnisvoll, magisch. Wie Sterne am Firmament. Nur noch schöner. Ein unheimliches Glücksgefühl erfasst ihn. Noch nie hat er sich so eins gefühlt mit dem, was ihn umgibt. Noch nie so eins mit sich selbst.
In dieser Nacht schläft er „wie im Himmel“. Und als er morgens aufwacht, weiß er, dass er ein ganzes Dorf aus Eis und Schnee bauen will. Mit allem, was dazu gehört: Mit Häusern, einem Gasthaus, einer Kirche, einem Dorfplatz. Ein Wintermärchen. Benno weiß noch nicht, wie schwer es sein wird, diesen Traum wahr zu machen.

Vor dem Eis kommt die Wüste

Benno Reitbauer beim Eisschnitzen© ALPENIGLU(c) Dorf
Benno Reitbauer, der Geschäftsführer des Alpeniglu® Dorfs, schnitzt seine Eisfiguren selbst von Hand.

Benno Reitbauer ist ein „Oberlandler“, 1965 in Imst geboren. Nach der Matura leitet er ein Sportgeschäft. Doch es hält ihn nicht in Tirol. „I håb immer schon den Drang gehabt, in die Welt raus zu gian“. Benno spricht einen lustigen Dialekt: Eine Mischung aus Oberinntaler-Tirolerisch und Schwäbisch. Und ein bisschen Brixentalerisch mischt sich auch dazu. „Des is im Winter besser, da bin i ständig då,“ lacht er.
Benno kauft sich damals ein Motorrad und fährt als Quereinsteiger bei Wüstenrallyes mit. „Paris-Dakar, des håt mi schon ois Bub fasziniert.“ Paris-Dakar wird es zwar nicht, aber bei vielen kleineren Wettbewerben ist er mit dabei – und zwar gleich an der Weltspitze. Daneben fängt er an, Wüstenreisen mit dem Motorrad oder mit dem Auto zu organisieren und zu leiten. Auf einer Wüstenrallye lernt er auch seine zukünftige Frau Brigitte kennen – sie fährt in einem der Begleittrucks mit, teilt seine Begeisterung für die Wüste. Dann kommt der erste Unfall bei einem Rennen – Benno ist schwer verletzt, erholt sich jedoch. Nach seinem zweiten Unfall fünf Jahre später ist die gesamte linke Körperhälfte arg mitgenommen. Benno muss eine Entscheidung treffen. Will er weiterhin Rennen fahren und seine Gesundheit, sein Leben riskieren? Nein. Der Abschied aus dem Rennsport fällt schwer. Doch Benno konzentriert sich jetzt darauf, Eventreisen zu organisieren. Da Brigitte aus Deutschland stammt, gründet er seine Firma in Berlin und geht dann nach Stuttgart. Einer seiner Trips, die er mit seiner Eventagentur für Gruppen leitet, führt ihn nach Finnland in die Eishöhle … Vor 14 Jahren war das.

Ein Mann der Extreme

Von der Wüste ins Eis. Benno liebt das Extreme. Sein nächstes Abenteuer ist nach dem Erlebnis in der Höhle das Alpeniglu, das er bald fix und fertig im Kopf hat. Jetzt braucht er nur noch einen Partner, eine Bergbahn, die eine Kooperation mit ihm eingeht und den notwendigen Kunstschnee liefert. Doch als Benno voller Euphorie und Tatendrang seine Pläne vorlegt, stößt er nur auf Zweifel und Kopfschütteln. Nicht nur einmal hört er, wie er hinter seinem Rücken ein Spinner genannt wird. „Mia brauchen den Schnee für unsere Pisten,“ heißt es, oder man lässt ihn gleich abblitzen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, die Details zu erfragen. Benno ist frustriert. Es kann doch nicht sein, dass niemand das Geniale in der Idee erkennt? Auch Ischgl und St. Anton lehnen ab. Doch Benno glaubt weiterhin an das Projekt, er lässt sich nicht entmutigen. Auch wenn alle anderen ihn für verrückt erklären und sogar die Familie an der Durchführbarkeit der Sache zweifelt. Nach drei Jahren baut er das erste Iglu-Hotel am Kaunertaler Gletscher. Doch es ist nicht der ideale Standort, Benno versucht es im Tiroler Unterland. Hier empfängt man ihn deutlich freundlicher. Das Alpeniglu-Dorf steht 3 Jahre lang in Kitzbühel und seit 2009 in Brixen. Hier hat es nun seine Heimat gefunden. Doch bevor das Iglu-Dorf zum ersten Mal Gäste empfangen kann, sind noch viele Hindernisse zu überwinden. Eine der wichtigsten Fragen lautet: Wie können die Iglus schnell und stabil errichtet werden? Benno emtwickelt das Ballonsystem, mit dessen Hilfe die Iglus schnell und sicher gebaut werden können. Der Ballon wird aufgeblasen und an Ort und Stelle mit Kunstschnee überschüttet. Dann lässt man die Luft aus, der Iglu-Rohling steht. In die Konstruktion des Ballons fließt viel Geld. Geld, das Benno eigentlich gar nicht hat und das er irgendwie auftreiben muss. Brigitte, sie ist der „finanzielle Kopf“ seines Unternehmens, hat immer mehr Zweifel und bittet ihn, alles abzublasen. Zu riskant erscheint alles. Doch aufgeben, nein, das kann er nicht.

ALPENIGLU® Dorf - Innenansicht© ALPENIGLU(c) Dorf

Das Eisrestaurant im ALPENIGLU® Dorf

Tonnenweise Eis

Mit der Kettensäge wird grob vorgearbeitet.© ALPENIGLU(c) Dorf
Benno Reitbauer bearbeitet die Eisfiguren für das Alpeniglu® Dorf mit der Kettensäge grob vor.

Benno fühlt sich mittlerweile in Brixen so wohl, dass er auch seine Eisproduktion in den Ort verlegt hat. Das Alpeniglu-Dorf ist nämlich nur eines von insgesamt drei Standbeinen seines Unternehmens: Es gibt das Alpeniglu-Dorf, die Eisproduktion und den Eventbereich.
Benno produziert Eisblöcke. Die braucht er für die Eiskunst im Iglu-Dorf. Er baut damit aber auch Logos für Firmenkunden oder verwendet sie als Eyecatcher auf Messen. Da ist dann zum Beispiel ein Pullover in einem überdimensionalen Eiswürfel ausgestellt. Oder auch eine Bremsscheibe. Logisch, dass so etwas für Aufmerksamkeit sorgt. Benno fertigt aber auch Schalen oder Gläser oder ganze Theken aus Eis an – für die gehobene Gastronomie, das ganze Jahr über. Deshalb ist er auch im Sommer immer wieder mit dicker Jacke und Mütze anzutreffen. Dann kommt er gerade aus seinem Gefrierraum, in dem er an seinen Eiskreationen arbeitet. An die 40 bis 50 Tonnen Eis verarbeitet die Firma alleine für das Alpeniglu Dorf Brixen jährlich. Zuletzt erregte beim Hahnenkammrennen ein Auto – gefertigt aus blankem Eis – jede Menge Aufmerksamkeit. Das kam von Bennos Team. Und das Eis für das „Flower In Ice“ Festival heuer in Seefeld kam auch aus Brixen.

Eine "bittere Pille"

Nachdem die größten Hürden überwunden sind, können sich Benno und sein Team nun ganz auf das Wichtigste konzentrieren: Ihre Gäste. Benno sieht das Dorf als „Erlebnishotel im 5-Sterne-Segment mit Abenteuercharakter“. Der Gast soll spüren, dass hier jeder mit Freude bei der Arbeit ist. Deshalb legt er viel Wert auf die Motivation seines Teams.
Von März bis November verbringt Benno die halbe Woche in Tirol, die andere Hälfte der Woche in Stuttgart. Während er in den Wintermonaten das Alpeniglu Dorf betreut, bleibt seine Familie in Stuttgart – Brigitte und die gemeinsamen Töchter (12 und 14 Jahre alt) haben dort ihren Lebensmittelpunkt, ihren Freundeskreis. Nur dreimal fährt Benno während dieser Zeit hinaus: Zu Weihnachten und an den Geburtstagen der Mädels. „Früher bin i nit amoi zu Weihnachten heimg’fahre, aber jetzt wird die Familie irgendwie doch immer wichtiger für mi.“ Eine „bittere Pille“ nennt er dieses Pendeln, „aber so iss halt.“
Heuer hat Benno seinen Bruder beerdigen müssen, der mit 54 Jahren aus dem Leben gerissen wurde. Das macht ihm täglich bewusst, wie wichtig die Familie ist. Und die Gesundheit: „Wenn’s da gesundheitlich guat geht, gibt’s koane wirklich schlechten Momente.“

Die Kapelle im ALPENIGLU® Dorf wird jedes Jahr gesegnet.© ALPENIGLU(c) Dorf

Die Kapelle im ALPENIGLU® Dorf wird jedes Jahr gesegnet.

Im Frühling, wenn die Bergbahn ihren Betrieb einstellt, wird abgebaut. Die Pistenraupe macht dem Igluzauber ein Ende, sie walzt alles platt. Aus Sicherheitsgründen. Denn manche der Iglus sind in der Mitte sechs Meter hoch. Nicht auszudenken, was passiert, wenn jemand auf das „Dach“ klettert und einbricht. Es sind Momente der Wehmut, wenn das Dorf verschwindet. Doch mit seinen Gedanken ist Benno dann schon beim nächsten Winter. Auch in der nächsten Alpeniglu-Saison wird er sich an ruhigen Abenden wieder in die Mitte des „Iglu-Restaurants“ setzen und die Magie des Ortes auf sich wirken lassen. Die Figuren aus Eis und Schnee werfen geheimnisvolle Schatten. Die Luft ist kalt und klar. Der Schein der Kerze bricht sich in den Kristallen der Eisskulpturen, lässt sie aufflammen in allen Farben des Regenbogens. Ein verborgenes Spektakel für einen einzigen staunenden Zuschauer, den die Schönheit des Momentes alles vergessen lässt. Immer und immer wieder.

ALPENIGLU® Dorf - Innenansicht
Das Eisrestaurant im ALPENIGLU® Dorf
© ALPENIGLU(c) Dorf
Benno Reitbauer beim Eisschnitzen
Benno Reitbauer, der Geschäftsführer des Alpeniglu® Dorfs, schnitzt seine Eisfiguren selbst von Hand.
© ALPENIGLU(c) Dorf
Das ALPENIGLU® Dorf in Brixen
Die Schlafiglus des ALPENIGLU® Dorf auf Hochbrixen, mitten in der SkiWelt Wilder Kaiser-Brixental.
© ALPENIGLU(c) Dorf
Die Kapelle im ALPENIGLU® Dorf wird jedes Jahr gesegnet.
Die Kapelle im ALPENIGLU® Dorf wird jedes Jahr gesegnet.
© ALPENIGLU(c) Dorf
Mit der Kettensäge wird grob vorgearbeitet.
Benno Reitbauer bearbeitet die Eisfiguren für das Alpeniglu® Dorf mit der Kettensäge grob vor.
© ALPENIGLU(c) Dorf

TEXT: DORIS MARTINZ
FOTOS: ALPENIGLU® GMBH
ERSCHEINUNGSDATUM: NOVEMBER 2016

Das ALPENIGLU® Dorf in Brixen© ALPENIGLU(c) Dorf
Die Schlafiglus des ALPENIGLU® Dorf auf Hochbrixen, mitten in der SkiWelt Wilder Kaiser-Brixental.

Jeder kann das Alpeniglu-Dorf besuchen, am besten fahrt ihr einfach mal mit den Skiern vorbei und kehrt an der Schneebar ein. Aber wenn ihr schon da seid, dann schaut doch unbedingt auch ins Innere. Die Innen-Eisbar im Restaurant ist öffentlich zugänglich, hier beginnt die Eis-Ausstellung. Und: Hier steht auch Europas größter Eistisch. Er wiegt viereinhalb Tonnen. Jede halbe Stunde gibt es eine Führung durch das Dorf, bei der die Eisskulpturen zu bewundern sind.
Auch bei der Igluzauber Nacht ist eine Führung inbegriffen – bei Dunkelheit ist sie noch viel geheimnisvoller, magischer. Bennos Gäste können sich im Eisschnitzen üben und genießen ein gemütliches Fondue im Eisrestaurant, bevor es zur Fackelwanderung geht. Wer übernachtet, breitet den Schlafsack auf seinem Bett aus Eis und Schnee aus und schläft bei Temperaturen um minus ein Grad und einem optimalen Raumklima ganz hervorragend. Das Equipment kommt aus dem Expeditionsbereich und lässt niemanden kalt. Insgesamt 20 Iglus umfasst das Dorf, 7 davon sind Schlafiglus, also „Suiten“ für zwei bis vier Personen. Ein Highlight ist jedes Jahr die Eiskapelle, die immer auch gesegnet wird. Schließlich finden hier Trauungen statt.

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