Des Glückes Schmied
Wie Alex Unterrainer in vierter Generation das Handwerk der Vorfahren weiterbetreibt, und was er selbst dafür tut, um erfolgreich und zufrieden zu sein.
Die Werkstatt, das Feuer, das Hämmern, „des hat mi oiwei fasziniert“, erzählt Alexander Unterrainer, Chef der Kunstschmiede in Brixen im Thale. „Den Mandern oiwei zuichig’viwitzt“, drängte er sich als Kind vor, bis sich einer mit dem glühenden Eisen umdrehte und ihn wieder mal im Gesicht erwischte. Erst wenn das Brandmal verheilt war, kam er zurück. „Is ja bärig und spannend, wenn’s Feuer brennt“. Der Dreikäsehoch durfte auch selbst herumprobieren, das Eisen ins Feuer heben und mit dem Hammer drauf klopfen, bis das Ding zusammenfiel und schmäler wurde. „Das taugt a unserem Buben“, Sohn Maximilian, der das Schmiedehandwerk vielleicht mal in die fünfte Generation führen wird. „Oamoi ham‘s mir a Herzei g’macht“, freut sich Mama Anna über ein geschmiedetes Geschenk von Vater und Sohn.
Die feingeschmiedete Erfolgsgeschichte der Unterrainers begann mit Alexanders Ur-Großvater Josef Infeld. Der siedelte von Osttirol nach Kitzbühel, auch der Liebe wegen. Seine Frau kam aus der bis heute erfolgreichen Goinger Schnapsbrenner-Familie Aggstein. Schöne Grabkreuze und Schachspiele, die nach dem Krieg über die Besatzer bis Amerika kamen, gehörten zu Infelds Spezialitäten. Aus Ellmau kam Alex’s Großvater Franz Unterrainer aus der dortigen Dorfschmiedefamilie in Infelds Betrieb und heiratete dessen Tochter. Franz fand einen Baugrund für eine eigene Schmiede in Brixen. „So sind wir da aufakommen“, erzählt Alex. Als Franz mit den Augen Probleme bekommt, muss dessen Sohn Siegmund schnell rein, in die Firma. „Okay, passt!“, sagt er, „Mach ma!“ Und er macht es sehr gut, denn mit dem Bayrischen Staatspreis wurde Sigi bei der Handwerksmesse 1980 in München für ein innovativ designtes, geschmiedetes Gartentor honorig ausgezeichnet.
Vier Chefitäten, vier Bartlängen
Auffällig in der Dynastie die Bartpracht der Chefitäten, die von einem zum andern kürzer wurde: „Der Ur-Großvater hat den Bart sooo lang g‘habt“, so Alex, und zeigt bis zum Bauchnabel, „der Großvater soo lang, der Vater so lang, und i hab ihn weg“, lacht er. Wenn er zu lang wird, „Da werd‘ i zach!“, sagt Anna, und dann ab zur Rasur! In der Hauptschule sagte eine Lehrerin gern zu Alexander: „Unterrainer, ’s Zeichnen wirst du nie lernen“. Heute lebt der Brixner davon, zeichnet alle Entwürfe für die Schmiedestücke. „I huck mi mit die Leut‘ z’samm, dann reden wir: wie, wo, was, und i kratzel vor ihnen scho eppas auf“.
So finden sie schnell die gemeinsame Linie für den Auftrag, ohne Kurvenlineal oder PC, flott aus der Hand heraus, gelernt auch in der Ausbildung „Kunstschmied und Metallplastiker“ in der Berufsbildenden Mittleren Fachschule für Kunsthandwerk in Steyr, Oberösterreich. Dort ist er mit 13 Jahren angereist, und auch zum Mann gereift. „Ja, sozusagen“. Bei fünf Buben und zwanzig Mädels in der Klasse, die Eltern weit weg, da wurden erstmals auch andere Kurven studiert. „In der 4. Klass is des a bissl los’gangen“.
Mit der Schule schließt Alex gleichzeitig die Gesellenprüfung ab und beginnt sofort im Elternbetrieb zu arbeiten. Mit 18 dient er beim Bundesheer und startet danach die Ausbildung zum Meister. Mit 22 Jahren absolviert Alexander die Meisterprüfung und darf sich damals „Jüngster Schmiedemeister Österreichs“ nennen! Als dieser heißt es nun, mit den Eltern den gemeinsamen Nenner zu finden, denn „Der Junge sagt so, der Alte so“, das gehört zu jedem Generationswechsel. Nachdem Papa Sigi lang in der Kitzbüheler Eishockey-Glanzzeit in der Bundesliga spielte und seine Knie lädierte, geht er 2004 in Pension und überschreibt die Firma auf Alex. „Da war i selbständig“, als geschäftsführender Angestellter der Schmiede, bei der der Vater die Mehrheitsanteile behielt, als graue Eminenz bis 2007 im Hintergrund weiterwirkte und noch die Bauleitung für das neue Betriebsgebäude übernahm. „Schau, dass du breit aufg‘stellt bleibst“, gab er dem Sohn als Rat mit. Und immer ein Aug drauf halten, „dass die Mander das Schmieden nit verlernen. Wär schade, wenn das Handwerk verloren geht“.
50 Grad in der alten Werkstatt
Alex nimmt sich die Tipps zu Herzen, auch wenn er aus nicht leicht biegsamen Eisen geformt ist. „Da brauchst viel Hitz!“, lacht er. Ein Gedicht über seinem Schreibtisch beschreibt: „Die Esse glüht, der Blasbalg zieht, nun geht es an das Schmieden – was wäre das Leben ohne Schmied im Kriege wie im Frieden?“ Und nach fleißigem pinke-panke soll nach Feierabend auch ein Schoppen mehr munden dürfen, denn das Feuer erhitzt. Oh, ja, in der alten Werkstatt hatten sie an heißen Sommertagen schon mal an die 50 Grad. „Dann feuerts!“ Und wenn dann noch als Vorbereitung etwa 200–300 Laufmeter Handläufe zu schmieden waren, „Vom Ofen aussa und unter den Hammer eini, da hast du nach drei Tag nimmer g’wisst: hast du noch Arme oder sind‘s dir ab’kugelt? Da warst fertig!“
Arme, die Frauenherzen höher schlagen lassen
Dafür gibt’s Oberarme ab, die Frauenherzen höher schlagen lassen. Und wie hat Alex festgestellt, dass seine Anna ein heißes Eisen ist? „Da hu i ma sauber die Finger verbrennt!“, scherzt er. Die Chancen für eine Verbindung lagen bei ihnen als Schüler bei null. „Ein Brixner und eine Westendorferin, des wär nie gangen!“ Weil die Brixner nach Westendorf in die Hauptschule mussten. „Da sind wir Westendorfer scho die Besseren g’wesen“.
Erst nach Jahren sehen sie sich wieder. „Beim Brixner Mittwochsfestl. Da sind die Westendorfer auf Brixen g’fahrn!“, lacht Alex. „Auf oamoi is sie da g’standen“. Anna dachte sich bei einem kurzen, zufälligen Treffen schon mal: „Der Alex is eigentlich a Hetziger g’worden“. Und mit dem Gedanken „Vielleicht triff‘ i ihn wieder amoi“ kam sie an dem Tag zum Fest. „Akrat steht er da“. Wie im Universum bestellt, als beide mit 31 solo sind. Sie ratschen ein bissl, und verabreden sich. „Und dann hat er mir a Bussl g’stohlen, hat nit lang g’fragt“. Aber ihr war‘s gar nicht so unrecht.
Der Kapitän im Hafen der Ehe
Und Anna denkt sich: „Des kunt jetzt der sein“, der Mann ihrer Träume. Doch nicht reinsteigern! Runter vom Gas! „Aber irgendwie simma nit owa vom Gas“. So ziehen sie nach einem halben Jahr zusammen, und zwei Jahre später kommt Sohn Maximilian zur Welt. Man muss das Eisen schmieden solange es glüht. „Is a so!“, bestätigt Alex. Und so schmiedet er bald auch an der Hochzeit. Fertigungsstufe 1: die Verlobung, am besten im Urlaub in Kroatien.
Alex macht erst keine Anstalten sondern den Bootsführerschein. Doch noch am selben Abend steuert der frischgebackene Kapitän schon den Hafen der Ehe an: an einem schönen Platzl am Meer. „Auf oamoi zaubert er a Schachtei aussa, und hat g‘fragt, ob ich ihn heiraten will“. Der noch Zuhause in Auftrag gegebene, schlichte Ring mit Brillant glitzert wie Annas Augen. „Das war echt romantisch“. Bald drauf wird in der Brixner Kirche in Brautdirndl und Trachtenanzug geheiratet. Man verspricht sich die Treue, standesgemäß ausgedrückt: man will „Eisern z’sammhalten“. Wieder zwei Jahre später gesellt sich noch Töchterchen Katharina zur nun kompletten Familie.
Geheimnis der Ursprünglichkeit
Geheimnis der Ursprünglichkeit und lebensvoller Schönheit – was für die Liebe gilt, ist auch Unterrainerische Betriebsphilosophie. Alex will visionär-innovatives Design, traditionelles Handwerk und künstlerischen Ausdruck im Sinne des Kunden bestmöglich vereinen. Der Schauraum der Firma mit Leuchten, Geländern, Beschlägen, Grabkreuzen und Familienwappen beweist, warum der alteingesessene Vorzeigebetrieb auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde, etwa bei Sigis erfolgreichen Ausstellungen in Köln, Bozen, Chicago oder Toronto. Faszinierend dabei, trotz neuer maschineller Verfahren, immer wieder das nur durch jahrelange Übung erreichbare Fingerspitzengefühl, bei dem das Eisen mit Jahrhunderte alter Schmiedetechnik am offenen Feuer bei 1500 Grad mit raschen Hammerschlägen bearbeitet wird. Ergebnis: universelle, einzigartige Objekte wie komplizierte Messingarbeiten und kunstvolle Beleuchtungskörper als Unterrainer’sche Spezialitäten. Der Erfolg der Schmiede fußt aber auch auf der Güte und Erfahrung der Mitarbeiter, von denen die meisten aus der hauseigenen Lehrzeit heraus mehrere Jahrzehnte dem Betrieb treu blieben und bleiben, wenn das Team mittlerweile auch recht jung aufgestellt ist. „Die sind unser größtes Kapital“, weiß Alexander zu schätzen.
Mit Anna, die von seiner Mutter Monika, einst Seele der Firma, perfekt angelernt wurde, hat Alex auch im Kaufmännischen die perfekte Partnerin. Sie haben sich’s gerichtet, ganz nach Appius Claudius Caecus: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Will heißen: jeder ist selbst dafür verantwortlich, ob er im Leben glücklich und erfolgreich wird. Ich spüre bei unserm Gespräch, wie zufrieden Alex und Anna wirken und denk an die Interpretation von Johann Wolfgang von Goethe: „Was gibt uns wohl den schönsten Frieden, als frei am eignen Glück zu schmieden?“ Auf geht’s!
TEXT: EDUARD EHRLICH
FOTOS: CHRISTINE EHAMMER, PRIVAT
ERSCHEINUNGSDATUM: NOVEMBER 2016
M. S. Scheffler
Antworten
Vielen Dank für den Einblick! Es ist sehr schön, wenn die Schmiedekunst in mehreren Generationen für Begeisterung sorgt! Wir haben uns in Amstetten eine Gartentür schmieden lassen. Meine Kinder durften sogar mal zugesehen und sie möchten nun auch Schmiedin werden.