Oder, eine etwas andere Adventsgeschichte

Pletzergraben

19. Dezember 1875. Der Weg in den Pletzergraben in Fieberbrunn ist tief verschneit, das Gehen wird zum Kraftakt. Dazu ist es lebensgefährlich, an diesem Morgen hier entlang zu stapfen, weil riesige Neuschneemassen an den Hängen links und rechts jederzeit ins Tal herabzustürzen drohen. Es hilft nichts. Die Arbeit im Bergwerk ruft. Im Gänsemarsch streben die 54 Bergarbeiter unbeirrt vorwärts, dem Josefi-Grubenhaus neben der Danielkapelle unter dem Gipfel des Gebra zu. Sie ahnen nichts von dem, was gleich geschehen und den Menschen in Fieberbrunn bis in unsere Tage in Erinnerung bleiben wird.

Bergknappen im Pletzergraben© Kitzbüheler Alpen PillerseeTal
Bergknappen im Pletzergraben

Die Bergknappen auf ihrem schicksalsträchtigen Weg sind bemüht, die schlafende "Löwin", also die Lawine, die noch nicht abgegangen ist, nur ja nicht aufzuwecken. Es fehlen wenige Meter bis zum Grubenhaus, die sichere Hut ist zum Greifen nah.
Doch dann geschieht das Unglück:
eine riesige Lawine löst sich und rast auf sie zu. Diejenigen, die weiter hinten gehen, versuchen nach Rückwerts zu entkommen, während sie die Blicke nicht von dem Schauspiel abwenden können, das sich ihnen bietet: Tonnen von Schnee, und darin herumwirbelnde Arme und Beine der Kameraden, Kleidungsstücke, Rucksäcke, Schuhe.
Dann ist die Hälfte der Männer weg. Verschluckt von der "Löwin". Gespenstische Stille breitet sich aus.

Wie durch ein Wunder können sich viele selber befreien, die anderen werden von den Kameraden aus den Schneemassen geholt. Sie setzen ihren Weg fort, um noch vor der Mittagsstunde das Knappenhaus zu erreichen. Die Freude ist groß, als die Knappen dort vollzählig erscheinen. Sie haben alle mehr oder minder unverletzt überlebt. Alle bis auf einen, den jüngsten. Den 17jährigen Jodok Stöckl hat es böse erwischt und darum benötigt er dringend ärztliche Hilfe. Aber immer noch drohen weitere Lawinen abzugehen. Der Weg zum Doktor ist weit. Wo sollte man unterwegs Unterschlupf und Hilfe finden? Und vor allem: wer bricht auf und riskiert damit sein Leben für den Jungen?

Jodok Stöckl erholt sich vom Unglück nur sehr schwer und es scheint, dass er den Heiligen Abend nicht mehr erleben werde. Schneestürme setzen ein und keiner weiß mehr Rat. Zwei Knappen erklären sich bereit, den Burschen trotz weiterer Lawinengefahr ins Tal zu bringen. Die Fieberschübe von Jakob provozieren Phantasieausbrüche und Todesängste zugleich.
Jodok Stöckl wird dank des Mutes seiner Knappenkameraden unter widrigsten Umständen gerettet!
Und auf halbem Weg gibt es im Pletzergraben heute noch einen Platz, den die Menschen „Herrgott“ heißen!

TEXT: Dr. Jutta Siorpaes 2015; GESCHICHTE: Wolfgang Schwaiger. BILDER: Archiv Gemeinde Fieberbrunn, Magazin "Bei ins dahoam", Tourismusverband PillerseeTal.

Wir freuen uns über Deinen Kommentar

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. *Pflichtfelder

Teile es mit deinen Freunden

Finde weitere Geschichten zu folgenden Themen

    Share

    Diese Artikel könnten dich auch interessieren

    Keine neue Geschichte mehr verpassen?

    Damit du keine Story mehr verpasst, kannst du dich gerne hier im Newsletter-Formular von bärig.tirol eintragen.