Klettern im PillerseeTal
Adi Stocker über das Leben in der Vertikalen
Adi Stocker erkundet die Bergwelt schon seit seiner Kindheit. Zahlreiche Erstbegehungen von namhaften Kletterrouten gehen auf sein Konto. Auch im PillerseeTal hat der Pionier schon etliche Spuren hinterlassen: Viele Male war er in den Loferer Steinbergen und auf der Steinplatte in der Vertikalen unterwegs, um neue Routen zu entdecken und sie mit Bohrhaken für andere Sportler sicherer zu machen. Bei einem Glas Apfelsaft in einem schönen Gastgarten im PillerseeTal hat mir Adi Stocker mehr über seine große Leidenschaft verraten.
Ein Blick zurück
Wohl behütet ist Adi Stocker im schönen St. Ulrich am Pillersee aufgewachsen. Bis zu seinem 14. Geburtstag kannte der junge Bursche nicht viel außerhalb der Grenzen seiner beschaulichen Tiroler Heimat, die von den Einheimischen liebevoll „Nuarach“ bezeichnet wird. Doch die Neugierde auf die große weite Welt ließ Adi nicht locker. Nach seinem Abschluss an der Glasfachschule übersiedelte er in die USA, um dort für einen kleinen kristallveredelnden Betrieb zu arbeiten. Fünf Jahre später zog es den Pillerseetaler zurück zu seinen Wurzeln nach Nuarach, wo er für sich und seine Familie ein Haus baute. Das heimelige Nest am Fuße eines Kletterparadieses war der ideale Ausgangspunkt für seine Jagd auf die perfekten Linien und Routen in den Felsen. Bis heute ist die Auseinandersetzung mit der Bergwelt einer der sinnstiftenden Inhalte seines Lebens. Im Interview spricht Adi über seine große Leidenschaft und die herausragenden Kletterbedingungen an der Steinplatte.
Der erfahrene Kletterer Adi Stocker erkundet die Bergwelt seit seiner Kindheit.
Man kann nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen
Am Anfang hat ihn sein Vater auf seine Klettertouren mitgenommen - bis es ihm letztendlich zu gefährlich wurde. Mit den eigenen Kindern in den Bergen zu klettern ist eine komplizierte Angelegenheit und kostet jede Menge Nerven. Deswegen ist Adi in der Jugendzeit öfter mit seinem Onkel in der Vertikalen unterwegs gewesen: „Ich bin schon sehr früh zu dem Entschluss gekommen, dass man nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen kann. Parallel zum Klettern war ich auch im Fußball- und Musikverein aktiv. Nach regelmäßigen ‚Verwarnungen' von meinem damaligen Trainer und Kapellmeister - wegen meiner Kletterpartien kam ich in der Regel immer zu spät - habe ich den Entschluss gefasst, dass ich mich auf die Berge konzentrieren möchte. "Dort oben muss man sich mit niemandem absprechen und kann tun und lassen, was man will.“
Zahlreiche Erstbegehungen wurden von Adi Stocker durchgeführt.
Die Freiheit am Fels
Auf die Frage, was Adi am Klettern so fasziniert, hat er eine prompte Antwort parat: „Mich reizt der Freiheitsraum, den man beim Klettern erlangt. Ich liebe unsere Ausgangslage im PillerseeTal. Wir können dem Alltag auf Knopfdruck entfliehen und sind in kürzester Zeit in den Steinbergen, auf der Steinplatte oder in anderen tollen Gegenden. Beim Klettern kann man sich zurückziehen und alleine sein - ohne dabei eine andere Menschenseele zu treffen.“ Während einer Solo-Partie verbringt er viele Stunden mit sich selbst, ohne mit anderen zu reden. Er konzentriert sich auf den Körper, den Geist, auf die Natur und auf die Ruhe.
Adi Stocker ist oft alleine in den Bergen unterwegs und genießt die Ruhe abseits des Alltagstrudels.
Klettern & schreiben
Fast keiner kennt die Steinberge so gut wie Adi Stocker. Das kommt unter anderem von seinen vielen Alleingängen. Die Steinberge sind im Gegensatz zum Kaisergebirge terrassenförmig aufgebaut. Man kann fast jeden Winkel - auch ohne schwierig zu klettern - zu Fuß erreichen. Die Gegend wie seine eigene Westentasche zu kennen, ist natürlich Voraussetzung dafür. Und das tut er - und zwar deshalb, weil sein verstorbener Großonkel, Richard Mitterer, Ende der 80er-Jahre einen Bergführer verfassen hätte sollen. „Da ich angeblich besser schreiben und zeichnen konnte, hat er mir diese Aufgabe übertragen. Die notwendige Recherche für dieses Buch war der eigentliche Grund, warum ich jede bis dato bestehende Kletterroute nachgeklettert bin und jeden Zustieg- und Jägersteig gesucht habe. Mittlerweile stammen bereits acht Berg- und Kletterführer aus meiner Feder“, erzählt Adi. Besonders stolz ist er auf den Begriff Longline: „Das war anfangs nur ein Arbeitstitel für mich. Jetzt heißt eines meiner Bücher so. Damit sind alle Kletterrouten gemeint, die länger als 20 Seillängen sind. Es freut mich ganz besonders, dass sich diese Bezeichnung für eine Kletterroute mittlerweile auch schon in der Szene etabliert hat.“ Im Jahr 2021 wird der Kletterführer „Loferer und Leoganger Steinberge“ vom Verlag Panico veröffentlicht
Unvergessliche Erstbegehungen
Die Erstbegehung der Route „Ende nie“ mit 38 Seillängen zählt zu Adis Favoriten. Sie befindet sich in den Steinbergen und gehört zu den längsten Routen der nördlichen Kalkalpen. Für alpine Sonnenuntergangsfanatiker sind im oberen Teil sogar Biwakplätze vorhanden. Erfahrene Kletterer schätzen diese Route, weil man im 6. und 7. Schwierigkeitsgrad über einen Kilometer klettern kann. „In der Regel sind wir auf der Suche nach großen Felsen und logischen Linien. Bei einer Erstbegehung, bei der man meistens zu zweit unterwegs ist, wird die Route oftmals auch gleich mit Bohrhaken versehen. Das macht das Klettern mit der ganzen Ausrüstung oft recht mühsam“, gibt Adi einen Einblick.
Die Route „Ende nie“ mit 38 Seillängen ist eine von Adis schönsten Erstbegehungen.
Keine Angst, aber Respekt
Adi erzählt mir, dass viele Kletterer bestimmte Touren auf ihrer „To-Do-Liste“ haben, die sie unbedingt abhaken möchten: „In jungen Jahren hatte oftmals der Übermut die Oberhand, man wollte gewisse Klassiker an den Alpenwänden halt einfach gemacht haben. Später wurde ich bedachter und konnte meine Grenzen besser einschätzen. Aber diese Erkenntnisse kommen erst mit der Erfahrung.“ Heute hat der Tiroler Kletterer keine Angst mehr, sondern nur noch Respekt und warnt seine Kletterfreunde: „Brenzlige Erlebnisse verankern sich natürlich im Gedächtnis. Man spricht über diese Situationen noch Jahrzehnte später. Wenn der erste Schock vorbei ist, wandelt sich das Gefühl in eine abenteuerliche Richtung. Das kann aber auch gefährlich sein. Jedem Kletterer muss bewusst sein, dass man ein bestimmtes Risiko in Kauf nimmt.“
8 Tipps für die Tourenplanung - für jede Tour ist die Vorbereitung das A und O
Diese 8 Dinge sollten laut Kletterprofi Adi Stocker stets beachtet werden:
- Wetterprognosen und aktuelle Verhältnisse checken (Schnee, Vereisung, Nässe)
- Informationen über Schwierigkeitsgrade, Absicherungen, Gesteinsbeschaffenheit, Exposition, Zu- und Abstiege und Parkmöglichkeiten einholen
- Routen und Kletteranlagen immer im Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten und die des Partners auswählen
- Das passende Topo im Vorfeld ausdrucken und mitnehmen
- Ein Seilsack schützt das Seil und erhöht dessen Lebensdauer
- Flip-Flops sind praktisch für Kletterpausen
- Ein Tape kann hilfreich bei kleineren Hautrissen sein
- Eine Markierung bei der Hälfte des Seiles kann verhindern, dass während des Abseilens zu wenig Seil übrig ist
Steinplatte: ein Klettergebiet mit Weltformat
Die Weltbesten sind auf der Steinplatte unterwegs. Es gibt dort inzwischen 800 Routen - bis zum 11. Schwierigkeitsgrad. Nur eine Handvoll Kletterer auf dieser Erde ist in der Lage, eine „11“ zu meistern. Thomas und Alexander Huber - auch als die „Huber Buam“ bekannt, der leider bereits verstorbene David Lama, Chris Sharma und viele andere bekannte Namen schätzen die Strukturen an diesen Felsen. Alexander Huber bezeichnet die Felswände zwischen der Steinplatte und der Loferer Alm als eines der global besten Klettergebiete. Eine seiner letzten daran eröffneten Linien an der Schwollwand – „Mauerläufer“ (11-) – gehört seiner Meinung nach zu den weltbesten Routen. Um diese Linien zu klettern, muss man zweifelsohne zu den Kletterchampions gehören.
Aller Anfang ist schwer
Aber auch für Kletteranfänger hat Adi einen Tipp: „Die meisten starten in der Halle, was auch gut ist. Sie verfeinern dort ihre Technik und ihr Können. Was dabei oftmals zu kurz kommt, ist das alpine Verständnis. Wie geht man in bestimmten Situationen mit wackeligen Steinen um? Wo ist ein sicherer Zu- und Abstieg? Bevor man im Freien klettert, muss man sich vorerst mit dem klassischen Bergsteigen auseinandersetzen. Auch nur das Gehen im Gelände fällt vielen heutzutage schon schwer. Wenn man in der Halle schon eine 8 klettert, sollte man in der Natur mit einem viel niedrigeren Schwierigkeitsgrad starten.“
Die Steinplatte ist ein Klettergebiet von Weltformat.
Klettern im PillerseeTal
Die Höhenlagen des PillerseeTals begeistern Kletterfanatiker aus nah und fern. Auch für Familien gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum Klettern. Nicht weniger als fünf Klettersteige, drei Klettergärten, drei Bereiche zum Kinderklettern sowie ein Indoor-Kletterpark tummeln sich in der Ferienregion. Besonders Klettersteige boomen im alpinen Raum und erfahren von Jahr zu Jahr weiteren Zuspruch. Der Trend geht im wahrsten Sinne nach oben. Im Gegensatz zum klassischen Klettern ist im Klettersteig der Routenverlauf durch ein Drahtseil vorgegeben und somit auch für Einsteiger geeignet. Wem das reine Klettern zu viel Risiko birgt, muss dank der Steige nicht darauf verzichten, die Berge abseits der typischen Pfade zu erkunden.
Auch für Familien gibt es im PillerseeTal viele Möglichkeiten zum Klettern.
Checkliste: Ausrüstung für Alpinkletterer
- Klettergurt
- Sicherungsgerät, mit dem beide Partner vertraut sind
- 10-15 Expressschlingen (je nach Gebiet)
- mind. 1 Bandschlinge pro Person
- mind. 3 Verschlusskarabiner
- Kletterhelm
- Kletterseil, mit einer für die Kletteranlage/-garten angemessenen Länge
- Kletterschuhe
- Magnesium und -beutel
- kleines Verbandsset
- Handy (aufgeladen)
- ausreichend Flüssigkeit
- Verpflegung
- Regenschutz
- Sonnenschutz
Kletterspaß in Tirol
Der Wunsch, Natur und Heimat in einer möglichst ursprünglichen Art und Weise zu erleben, erreicht immer mehr Menschen. Das PillerseeTal in den Kitzbüheler Alpen ist der ideale Ort, um die Freiheit am Felsen auszuleben.